Mats Hummels: „Ich wollte so schnell wie möglich in diese Elf“

Mats Hummels über seine Karriere in der Nationalmannschaft, Borussia Dortmund, seine Eltern und seine eigene Meinung.

Danzig. Mats Hummels vom deutschen Fußball-Meister Borussia Dortmund gilt schon jetzt als Gewinner der Euro 2012. Alle Skeptiker sind überzeugt, Bundestrainer Joachim Löw, der als sein Kritiker galt, ist auf seiner Seite. Mats Hummels spricht im Interview über seine Einschätzungen, seine Familie, seine Vorstellung und — vor allem — über die Medien.

Herr Hummels, diese Euro ist bisher Ihr Turnier, waren Sie vorher nicht eher skeptisch?

Mats Hummels: Ich wusste, dass es schwierig wird, weil der Bundestrainer lange auf Per Mertesacker gesetzt hat. Aber in den Tagen vor dem ersten Spiel hatte ich dann schon ein gutes Gefühl. Und das wurde bestätigt. Man spürt ja, wie der Trainer einem gegenübersteht. Ich habe gemerkt, dass die Chance realistisch ist. Ich hatte nie das Gefühl, früh abgeschrieben zu sein.

Vor dem Turnier hat Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke noch einmal öffentlich für Sie gesprochen.

Hummels: Wir haben sicher nicht abgesprochen, dass er mich nochmal nach vorne reden soll. Das macht er schon aus seiner inneren Überzeugung heraus. Kontakt gibt es zu Jürgen Klopp täglich, er fragt per SMS, ob ich fit bin, oder ob es Probleme gibt. Oft sagt er auch noch was zur Leistung, das ist natürlich im Moment angenehmer. Und witzig ist es auch, weil er natürlich rhetorisch begabt ist.

Rhetorisch begabt sind auch Sie. Sie gelten als Fußball-Intellektueller.

Hummels: Das sehe ich so gar nicht. Wenn ich meinen Freundeskreis durchgehe, dann bin ich der Einzige, der kein Abitur hat. Natürlich durch den Fußball bedingt.

Aber Sie hätten die Schule ja locker absolvieren können.

Hummels: Naja, mit der richtigen Einstellung vielleicht. Generell ist es für mich wichtig, mich vernünftig auszudrücken, das ist mein Anspruch. Aber ich sehe da jetzt keine besondere Begabung. Vielleicht liegt es einfach daran, dass ich keine Nervosität verspüre, wenn ich mit Journalisten rede.

Ihre Mutter ist Sportredakteurin, ihr Vater Fußball-Trainer. Kritisieren die beiden oft, was Sie sagen?

Hummels: Nur ganz selten. Manchmal kritisieren sie — oder finden etwas auch besonders gut. Aber sie wissen auch, dass meine eigene Meinung in diesen Fällen die ist, auf die ich Wert lege. Und dann ist es ohnehin gesagt und lässt sich nicht mehr ändern.

Ihre Mutter sagte unlängst in einem Interview, als Kind seien Familienfeste für Sie tabu gewesen, weil Sie Fußballspiele zu absolvieren hatten. Ihre Erinnerungen?

Hummels: Das ging ja den meisten von uns so, dass sie in der Jugend viel Zeit opfern mussten. Außerdem fanden unsere Familienfeste damals eben in 600 Kilometer Entfernung von München in Nordrhein-Westfalen statt, das war eine echte Distanz. Dass ich dafür auf Fußballspiele verzichten hätte — das haben sie irgendwann gar nicht mehr versucht, weil sie wussten, wie das ausgeht.

Wieviel vom Dortmunder Stil steckt in der Nationalelf?

Hummels: Ich sehe keine großen Parallelen. Das Spiel mit Ball ist anders geartet. Es ist mehr Ballbesitz, breiter, nicht mit so viel Zug zum Tor. Noch mehr auf sicheres Passspiel ausgelegt. In der Defensive ist es etwas ähnlicher, in der Nationalmannschaft ziehen wir uns schneller zurück, in Dortmund gehen wir schneller wieder auf den Gegner.

Sie haben gesagt, Sie taugen nicht als Mitläufer.

Hummels: Es geht mir darum, dass ich zum Spiel beitragen möchte, nicht den Ball nur zum Nebenmann abgeben möchte, der vier Meter entfernt steht. Ich möchte selbst in der Offensive agieren. Das war vorher auch gut, aber es ist jetzt ein Unterschied. Das ist mir wichtig, dass meine Leistung anerkannt wird — nicht von der Öffentlichkeit, aber von den Mitspielern.

Vor der Euro kamen Sie in der Öffentlichkeit nicht gut weg, der „Spiegel“ stellte Sie als selbstherrlich dar. Ihren Ärger darüber haben Sie nicht verschwiegen.

Hummels: Ich habe dem Redakteur viel Zeit eingeräumt, weil er ausführlich gefragt hat, und dann hat er etwas geschrieben, in dem viel falsch war. Das war unmöglich. Er hat gefragt, ich habe geantwortet. Und in dem Artikel steht dann, ich sei von mir aus mit diesen Themen herausgerückt.

Kritik war trotzdem angebracht, Ihre Leistung in der Nationalelf lange nicht sonderlich gut. Was hat es für Sie schwer gemacht?

Hummels: Ich wollte zuviel. Ich wollte nicht normal spielen, wollte besondere Momente haben, die dann auch auffallen. Weil ich wusste, ich bin nicht drin in dieser Mannschaft. Und ich wollte so schnell wie möglich in diese Elf. Das geht dann nach hinten los und hat zu Fehlern geführt, die einzig und allein auf mich zurückfallen.

Das Schweiz-Spiel unmittelbar vor der Euro muss Sie zermürbt haben.

Hummels: Nach diesem Spiel habe ich viel gelesen. Wenn dann geschrieben wurde, dass Per und ich an allen fünf Gegentoren beteiligt gewesen sind, dann ist das einfach nicht richtig.