Portugal feiert „Superonaldo“

Warschau (dpa) - Eusébio war zu Tränen gerührt. In den Armen von Luis Figo jubelte die 70 Jahre alte portugiesische Fußball-Legende über die zauberhafte Vorstellung von Cristiano Ronaldo.

„Ich glaube, diese Mannschaft kann Europameister werden“, sagte Eusébio nach dem 1:0 (0:0) gegen Tschechien im EM-Viertelfinale. Der Treffer von Landsmann Ronaldo (79.) hatte auch den WM-Torschützenkönig von 1966 und den Weltfußballer von 2001 von den Sitzen gerissen.

Auf dem nur wenige Meter entfernten Spielfeld erwiesen auch die aktuellen Nationalspieler aus Portugal dem „Matchwinner“ die Ehre. Einer nach dem anderen bedankte sich beim Superstar von Real Madrid für das Tor des Tages. Voller Neid beobachtete der tschechische Mittelfeldspieler Tomas Sivok die Schar der Gratulanten: „So einen wie ihn haben wir halt nicht. Er ist mit Messi der beste Spieler der Welt.“

Die tschechische Traumreise durch die EM in Polen und der Ukraine ging am Donnerstagabend zu Ende. „Es ist eine Enttäuschung, dass wir nach Hause fahren müssen“, sagte Torwart Peter Cech, der glatt rasiert und mit seiner Brille aussah wie ein Harvard-Professor. Noch in der Kabine hatte sich der Weltklasse-Torhüter den Bart abgenommen, den er wie alle tschechischen Spieler aus Aberglaube während der EM getragen hatte.

Die Cristiano-Ronaldo-Show konnte der Champions-League-Sieger vom FC Chelsea aber nicht verhindern. Dieser Abend mit reichlich Rampenlicht und Resonanz war ganz nach dem Geschmack von Narziss Ronaldo. Alle Kritiker, die nach mäßigen Auftritten gegen Deutschland und Dänemark schwindende Genialität moniert hatten, müssen abschwören. Zwei Tore gegen die Niederlande und der Treffer gegen Tschechien beförderten den Stürmer in den Kreis der besten EM-Spieler.

Nun bietet sich sogar die Chance, seine berühmten Vorgänger Eusébio und Figo zu überflügeln, denen große Titel mit der „Seleccão“ verwehrt blieben. „Die EURO war bisher für uns nicht leicht, aber der Traum ist noch da“, kommentierte Ronaldo. Dank seines Treffers ist in Portugal der durch die Schuldenkrise angekratzte Nationalstolz zurück. „Wir sind mächtig“, titelte „Jornal de Noticias“.

Und auch die restlichen Zeitungen des Landes waren voll des Lobes - vor allem für Ronaldo. „CR7 ist aus Gold“, kommentierte das Massenblatt „Correio da Manha“, „Diario de Noticias“ taufte den Stürmer in „Superonaldo“ um. Die Euphorie übertrug sich auf Portugals Präsidenten Anibal Cavaco. Der Erfolg sei ein Beweis dafür, „dass die Portugiesen in schwierigen Zeiten über sich hinauswachsen“, kommentierte er in einem Glückwunschschreiben.

Es ist ein Verdienst von Trainer Paulo Bento, dass die Nationalelf trotz der Ausnahmestellung eines Einzelnen als Gruppe auftritt. Arm in Arm mit zwei Mannschaftkollegen verabschiedete sich Ronaldo Richtung Kabine. Keine Spur von Neid der anderen. Bento verzichtete dennoch wohlweislich auf überschwängliches Lob für den Ausnahmekönner. Stattdessen verwies der Fußball-Lehrer auf andere Qualitäten seines Kaders. Schließlich hat der Weltranglisten-Zehnte mehr zu bieten als nur Ronaldo.

Dank Stars wie Nani (Manchester United), Raul Meireles (FC Chelsea), Pepe und Fabio Coentrao (beide Real Madrid) rückt ein Sieg im Halbfinale am 27. Juni in Donezk gegen Titelverteidiger Spanien oder Frankreich in greifbare Nähe. „Es ist da schwer, einen Lieblings-Gegner auszusuchen. Das sind ganz große Nationalmannschaften“, sagte Figo.

Verzichten muss Bento dem Verband zufolge im Halbfinale auf jeden Fall auf Helder Postiga wegen einer Oberschenkelverletzung. Der Stürmer war in der 40. Minute gegen Hugo Almeida ausgewechselt worden. Ob er für ein mögliches Finale wieder fit wäre, ist offen.

Für die Tschechen dagegen hat es nicht ganz gereicht, wie 2004 bis ins Halbfinale vorzustoßen. Dennoch überwog am Ende des Abends der Stolz. „Mit zeitlichem Abstand werden wir alle sehen, dass diese EM für uns ein großer Erfolg war“, sagte Cech. Das sah der verletzt fehlende Spielmacher Tomas Rosicky genauso: „Wir können mit erhobenem Haupt nach Hause fahren. Es war eine tolle EM für uns.“