Portugal Renato Sanches, der coole Torschussteenie
Portugal erreicht mit großer Hilfe des künftigen Bayern-Spielers das EM-Halbfinale.
Marseille. Augen und Ohren empfingen ganz unterschiedliche Signale. Man sah diesen jungen Burschen, einen Teenie, gerade hatte er sein erstes Länderspiel von Beginn an bestritten. Man sah Renato Sanches, die Neuerwerbung des FC Bayern München, ein großes Talent des portugiesischen Fußballs, 18 Jahre und zehn Monate alt. Man hörte aber die Worte eines abgezockten Altstars.
Der Druck beim Elfmeterschießen, bei der entscheidenden Penaltylotterie im EM-Viertelfinale gegen Polen? Ach, “ich war ganz ruhig“, sagte Renato Sanches. “Ich habe gemacht, was ich immer mache: Ich bin losgelaufen, habe mir eine Ecke ausgesucht und den Ball reingeschossen.“ Kein großes Ding, so wie es der Youngster erzählte. Und doch hätte er mit einem Fehlschuss kurz vor Mitternacht die Hoffnungen der ganzen Nation zerstören können.
Aber Renato Sanches traf, auch die anderen vier Portugiesen trafen, Ricardo Quaresma als Letzter. Und Torwart Rui Patricio hielt den Schuss von Jakub Blaszczykowski. 5:3 im Elfmeterschießen. Portugal stand im Halbfinale. Der Star dieses langen und phasenweise wenig vergnüglichen Fußballabends im Stade Vélodrome von Marseille hieß nicht Cristiano Ronaldo. Der 31-jährige Superstar von Real Madrid war in den 120 Minuten des Spiels eher durch unglückliche Aktionen als durch Weltklassekickerei aufgefallen. Einen Elfmeter bekam er nicht, eine Riesenchance zum Sieg in den regulären 90 Minuten vergab Ronaldo kläglich. Vom französischen Sportblatt “L' Equipe“ wurde dem Markenprodukt CR7 eine Ramsch-3 zugesprochen. Die Note 10 ist das Maximum.
Es war Renato Sanches, der zum Man of the Match gekürt wurde. Dieser junge Mann hätte allen Grund gehabt, euphorisch draufloszureden. Aber nein. Ganz abgeklärt klang das alles. So, als habe der 18-Jährige schon ein Medientrainingslager bei seinem neuen Verein FC Bayern durchlaufen. Sanches drückte sich die Übersetzungs-Kopfhörer auf die Ohren, grinste kurz, war bereit für Fragen. Er sprach wenig über sich, aber viel über die Leistung der gesamten Mannschaft. Sowas hören Trainer immer gerne. Man habe “hart gearbeitet“ auf dem Platz, “immer daran geglaubt“, die defensivstarken Polen niederringen zu können. Im Elfmeterschießen sei es dann auch das Glück der Tüchtigen gewesen, das Portugal ins Halbfinale gebracht habe.
Weit zuvor, in der 33. Minute, hatte Renato Sanches die polnische Führung durch Robert Lewandowski (erzielt nach nur 100 Sekunden) ausgeglichen. Ein starker Schuss. “Er hat ein großes Spiel gemacht“, bescheinigte Nationaltrainer Fernando Santos seiner Nummer 16. “Aber er wird noch besser in der Zukunft.“ Genau das ist die Erwartung beim FC Bayern. Deshalb hat der deutsche Rekordmeister 35 Millionen Euro oder noch ein bisschen mehr ausgegeben, um den erfrischend aufspielenden Offensiv-Jungstar von Benfica Lissabon nach München zu holen.
Sanches ist nun gar ein EM-Rekordspieler. Der Jüngste aller Zeiten, der in einer K.o.-Partie ein Tor geschossen hat. Im Halbfinale am kommenden Mittwoch in Lyon wird er sicherlich wieder zur portugiesischen Startelf gehören. Sein Debüt von Beginn an hätte positiver ja nicht laufen können. “Das war der bestmögliche Zeitpunkt für mein erstes Länderspieltor“, sagte Renato Sanches. Der erfolgreiche Versuch beim Elfmeterschießen kam noch hinzu. Bammel? Aber nicht doch. “Cristiano wollte als Erster schießen und ich dann als Zweiter. Der Trainer hatte Vertrauen in mich.“ Fernando Santos vertraute all seinen Schützen. “Das Elfmeterschießen ist eine Lotterie, aber auch da muss man Charakter zeigen. Ich wusste, dass die Polen gut vom Punkt sind, das haben sie im Achtelfinale ja gezeigt. Ich habe meinen Spielern gesagt, sie sollen ruhig bleiben. Ich wusste, dass sie treffen würden.“
Jetzt soll für Portugal auch im Halbfinale nicht Schluss sein. Rechtsverteidiger Cédric Soares meinte: “Wir werden alles daransetzen, den Titel in Frankreich zu holen. Das ist unser Ziel.“ Von Renato Sanches waren draufgängerische Worte nicht zu hören. Der 18-Jährige ist für die draufgängerischen Taten zuständig.