UEFA-Chef Platini: Der Präsident genießt und schweigt

Warschau (dpa) - Mit dem Besuch beim Viertelfinal-Krimi zwischen England und Italien hat Michel Platini seine EM-Spielesammlung komplettiert. Jetzt hat der UEFA-Chef jede Mannschaft mindestens einmal im Stadion gesehen.

Zu hören ist vom französischen Verbandschef aber erstaunlich wenig.

Platini macht sich rar. Der UEFA-Chef ist zwar fast jeden Abend auf den Fernsehbildschirmen präsent, wenn er neben Bundeskanzlerin Angela Merkel oder anderen Staatsmännern und -frauen im Stadion auf der Ehrentribüne sitzt. Meist sieht man den 57 Jahre alten Präsident der Europäischen Fußball-Union milde lächeln oder sich angeregt unterhalten. Freudensprünge verbietet ihm aber seine Pflicht zur Neutralität.

Dabei hätte der frühere Weltklasse-Profi durchaus gute Gründe für die eine oder andere fernsehtaugliche Jubelpose. Erstmals trägt Platini als UEFA-Chef die volle Verantwortung für eine Europameisterschaft. Das Turnier vor vier Jahren in Österreich und der Schweiz hat der Franzose von seinem Vorgänger Lennart Johannson quasi geerbt. Diese EM in Polen und der Ukraine aber ist auch seine EM - obwohl er damals nicht für die beiden Länder gestimmt hat.

Die internationalen Reaktionen sind positiv, auch Platini selber zog vor einigen Tagen eine zufriedene Zwischenbilanz. Ansonsten aber hält sich der Europameister von 1984 mit öffentlichen Auftritten bewusst zurück. Eine Pressekonferenz zur Eröffnung, ein informelles Mittagessen für eine Handvoll internationaler Journalisten am vergangenen Montag und die obligatorische Abschluss-Presserunde vor dem Finale in Kiew am Sonntag. Mehr ist und war nicht geplant.

Ein einziges Mal meldete sich der seit 2007 amtierende Präsident während der Vorrunde in einem Kommuniqué seines Verbandes zu Wort und mahnte die Fans zu einem friedlichen Miteinander. Abgesehen davon handelt Platini nach dem Motto Genießen und Schweigen.

„Ich bin hier als Präsident und nicht so sehr als Fußballfan. Es ist wichtig, dass alles reibungslos funktioniert. Wenn ich im Stadion sitze, schaue ich mehr, was auf den Rängen oder was am Himmel passiert“, berichtete Platini nach seinem Besuch in Donezk zum Gruppenspiel Frankreich gegen Ukraine (2:0), das wegen schwerer Regenfälle nach vier Minuten abgebrochen und erst nach einer 57-minütigen Zwangspause wieder angepfiffen wurde.

Als die UEFA die Planungen für das Final-Wochenende intensivierte, intervenierte Platini sofort. Am Samstag tagt das UEFA-Exekutivkomitee in der ukrainischen Hauptstadt. Es ist Usus, dass sich anschließend der Präsident den Fragen der Medien stellt. Und dann noch zusätzlich eine Pressekonferenz zur Turnierbilanz? Nein, das machen wir in einem Aufwasch, ich mache doch keine zwei Pressekonferenzen, beschied Platini klar und deutlich.

Als er kurzfristig während der Vorrunde die Schiedsrichter-Teams bei ihrem Training besuchte, erfuhr die Öffentlichkeit auch erst später durch Zufall davon. Nach all den Diskussionen der Vergangenheit um Rassismus, Verzögerungen beim Stadionbau oder Problemen mit Straßen und Infrastruktur will Platini nun während des Turniers so wenig Aufmerksamkeit wie möglich auf sich lenken - nach dem Motto: Wenn alles gut läuft, muss ich keine Statements abgeben - ähnlich hatte auch FIFA-Boss Blatter beim WM-Turnier in Südafrika vor zwei Jahren agiert.

Dann doch lieber repräsentativ-präsidiale Aufgaben wahrnehmen wie den Besuch der Werftarbeiter in Danzig vor dem Viertelfinale zwischen Deutschland und Griechenland. Platini postierte sich zu einem launigen Gruppenfoto mit Arbeitern in blauen Klamotten und mit blauen Plastikhelmen auf dem Kopf. Die UEFA stellte das Foto öffentlichkeitswirksam auf die verbandseigene Homepage. Dazu gab es ein Zitat des Gewerkschaftsvorsitzenden Piotr Duda: „Ich bin sehr glücklich, dass Herr Platini Zeit gefunden hat, mit Leuten von Solidarnosc zusammenzutreffen.“ Platini lächelte und schwieg.