Wales ist nicht nur Bale: „Leidenschaft wie ein Kontinent“

Toulouse (dpa) - Natürlich drehte sich wieder alles um Gareth Bale. Als der Bus der walisischen Fußball-Nationalmannschaft das streng bewachte EM-Stadion in Toulouse verließ, liefen ein paar französische Jugendliche dem abgedunkelten Fahrzeug hinterher und schrien: „Gareth!

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Gareth!“

Und natürlich trug die Mehrheit der Fans, die nach dem 3:0-Sieg gegen Russland das nahe gelegene Irish Pub geentert hatten, rote Trikots mit der Nummer 11 und dem Schriftzug Bale. Aber nicht nur Allan aus Cardiff, im ausgewaschenen Ramsey-Trikot und mit einem Plastikbecher Bier in der Hand, versicherte: „Wir sind mehr als nur Bale - wir sind vor allem Leidenschaft.“

Rund 20 000 Waliser verwandelten die „rosarote Stadt“ Toulouse für eine lange Nacht in eine rote Stadt. Bis in den frühen Morgen sangen sie: „Bring mich nicht nach Hause“. Die Waliser haben ganz offensichtlich noch lange nicht genug von der EM. „Alles kann jetzt passieren“, sagte Torschütze Aaron Ramsey nach dem Sprung in die K.o.-Runde: „Wir können auch noch weiter kommen.“

Nach dem berauschenden Sieg gegen die ausgeschiedenen Russen war Ramsey genauso euphorisiert wie die weiteren Torschützen Neil Taylor (20.) und Bale (67.), die mit dem Team wie kleine Kinder vor den Fans getanzt hatten. „Wir haben lange darauf gewartet“, erklärte Arsenal-Profi Ramsey. „Es ist fantastisch. Wir wollten anerkannt werden für unsere gute Arbeit. Das Ziel war, einfach durchzukommen. Und jetzt die Fans zu hören, ist klasse.“

Die Außenseiter aus Wales haben viel mehr erreicht als sie sich selbst zugetraut hatten. Trainer Chris Coleman stellte zufrieden fest: „Was jetzt noch kommt, das ist ein Bonus.“ Vom Auftritt seiner Schützlinge schien Coleman selber etwas überrascht zu sein. Immerhin hatte das Team den Schock der späten 1:2-Niederlage gegen England am vergangenen Donnerstag verkraften müssen. „Nach diesem Rückschlag war es erst schwer zurückzukommen“, sagte der Coach. „Als Nation sind wir geografisch klein, aber mit unserer Leidenschaft sind wir wie ein Kontinent“, befand Coleman.

Ob die Spieler ebenfalls mit Bier feierten wie Ramsey-Fan Allan und die anderen Waliser im Irish Pub? „Nein“, versicherte Bale: „Wir sind Profis. Wir genießen nur den Moment.“ Der Starspieler schwärmte von seiner Mannschaft: „Das war eine einzigartige Teamleistung. Wohl die beste, seit ich Nationalspieler bin.“

Tatsächlich ist Wales ein echtes Team und viel mehr als nur Bale. Es ist kein Zufall, dass bei den beiden Siegen in der Vorrunde nicht der 100-Millionen-Euro-Spieler, sondern Joe Allen und Ramsey jeweils zum Mann des Spiels gewählt wurden.

Alles dreht sich trotzdem um Bale. Das gilt meistens auch für die gegnerische Mannschaft, und das macht es für die Mitspieler manchmal einfacher. Die Russen schauten teils staunend und andächtig zu. Coleman lobte Bale auch als Teamspieler wieder einmal in den höchsten Tönen. „Natürlich ist er der, der die spektakulären Tore macht“, sagte der Coach über seinen Torjäger, der bislang dreimal traf. „Aber er ist viel mehr für uns.“

Bale ist ein Anführer ohne Kapitänsbinde. Der Real-Madrid-Star zieht das Spiel an sich, er rennt, er dribbelt, er schafft mit seinen Sprints mit und ohne Ball Räume. Und er arbeitet auch nach hinten mit. „Er ist einfach ein großer Spieler“, befand sein Trainer.

Nicht nur Bale sieht jetzt die Chance auf noch eine Runde. „Wir schauen uns in Ruhe an, wer jetzt kommt“, sagte der Torjäger. Als Erster sei es besser, auf ein Top-Team trifft Wales am Samstag in Paris nicht. „Sicher, es gibt keine einfachen Spiele“, meinte Bale grinsend: „Aber es könnte ein etwas einfacheres Spiel sein.“