Borussia Dortmund erneut im Klopp-Fieber

Dortmund (dpa) - Die Älteren schwelgen in Erinnerungen an das historische Endspiel von 1966, die Jüngeren sehnen das Wiedersehen mit Jürgen Klopp herbei. Das Europa-League-Viertelfinale mit dem FC Liverpool am Donnerstag versetzt Dortmund in einen emotionalen Ausnahmezustand.

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Die Rückkehr des Kulttrainers an die alte Wirkungsstätte erhöht den Aufmerksamkeitsgrad des Spiels auf Champions-League-Niveau - und sorgt für „El Kloppico“-Schlagzeilen. Dass dieser Personenkult die Konzentration der Borussia stören könnte, glaubt Regisseur Gonzalo Castro jedoch nicht: „Wir wollen den Klopp-Hype mit einer guten Leistung vergessen lassen.“

Ähnlich kämpferisch war die Botschaft der Stadt Dortmund, die Klopp schon auf dem Weg vom Flughafen in das Stadion auf einem über eine Autobahnbrücke gespannten Spruchband zu lesen bekam: „Lieber Jürgen Klopp, zuhause auf'm Platz sind Auswärtsniederlagen am besten zu ertragen.“

Der immense Rummel um den einstigen BVB-Coach, der seit Oktober 2015 sein Glück beim englischen Traditionsclub versucht, drängt selbst das nur drei Tage später anstehende prestigeträchtige Revierderby auf Schalke vollends in den Hintergrund. Bei aller Wertschätzung für Klopp warnte Hans-Joachim Watzke vor übertriebener Huldigung: „Am meisten fürchte ich, dass er versucht, uns einzulullen und die Fans auf seine Seite zu kriegen. Wir müssen im Wettkampf- und nicht im Umarmungsmodus sein.“

Ähnlich wie Watzke verspürt auch Michael Zorc wenig Lust, das Kräftemessen der beiden von Tradition und Leidenschaft getragenen Clubs auf einen Aspekt zu reduzieren. „Am Donnerstag ist kein Platz für Romantik“, befand der BVB-Sportdirektor im „Kicker“. „Es ist ein Spiel Dortmund gegen Liverpool. Nicht Dortmund gegen Klopp. Oder Tuchel gegen Klopp“. Sogar der dem Rampenlicht ansonsten eher zugetane Klopp, der den BVB im vorigen Sommer nach sieben Jahren verließ, empfindet den Trubel als übertrieben: „Ich freue mich auf die Rückkehr, aber ich hasse den Hype um meine Person, der bei solch einem Spiel entsteht.“

Dass sein Vorgänger in der Revierstadt noch immer so große Popularität genießt, kommentierte BVB-Coach Thomas Tuchel am Vortag der Partie ohne eine Spur von Neid: „Wir sind, was wir sind, weil die Geschichte mit Jürgen vorher so war. Alles andere als ein warmer Empfang wäre eine große Überraschung.“

Doch auch ohne die Klopp-Mania ist die Partie nach Einschätzung des einstigen Liverpool-Profis und heutigen Sky-Experten Dietmar Hamann ein „Sahnestück des europäischen Fußballs“. Noch heute geraten Traditionalisten beim Rückblick auf das erste Aufeinandertreffen beider Teams im Hampden Park von Glasgow am 5. Mai 1966 ins Schwärmen. Vor 50 Jahren traf Reinhard „Stan“ Libuda in der Verlängerung zum 2:1-Sieg und bescherte dem BVB als erstem deutschen Club einen europäischen Titel.

Anders als damals geht der BVB nicht als krasser Außenseiter, sondern als Favorit in die Partie. Mit Beginn der K.-o.-Phase spielte das Tuchel-Team im Wettbewerb groß auf und meisterte die hohen Hürden FC Porto und Tottenham Hotspur bei vier Siegen und nur einem Gegentor in imposanter Manier. Mit dem neunten Einzug in ein europäisches Halbfinale soll die Chance gewahrt werden, als erst fünfter europäischer Verein alle UEFA-Titel zu gewinnen. „Derjenige, der diese Spiele für sich entscheidet, hat eine große Chance, nach Basel zu gehen“, sagte Watzke mit Blick auf das Finale am 18. Mai.

Doch so einfach wie gegen Porto und Tottenham dürfte es diesmal nicht werden. Anders als für die beiden vorigen Gegner hat die Europa League für den Tabellen-9. der Premier League eine große Bedeutung. „Für Liverpool ist es die einzige Möglichkeit, durch einen Finalsieg noch die Champions League zu erreichen. Deshalb erwarte ich zwei enge Spiele“, warnte Zorc.

Wie schwer die Reds zu besiegen sind, dokumentiert allein die Statistik. Neben Sparta Prag und Schachtjor Donezk sind sie das einzige noch ungeschlagene Team im diesjährigen Wettbewerb. Zudem steht der ehemalige Hoffenheimer Roberto Firmino nach überwundener Verletzung vor der Rückkehr in die Startelf. „Wir fürchten uns vor niemandem. Wir haben in diesem Jahr bewiesen, dass wir jeden schlagen können“, sagte Englands Nationalspieler James Milner.

Voraussichtliche Aufstellungen

Borussia Dortmund: Weidenfeller - Piszczek, Sokratis, Hummels, Schmelzer - Durm, Castro, Weigl - Mchitarjan, Aubameyang, Reus

FC Liverpool: Mignolet - Clyne, Lovren, Sakho, Moreno - Henderson, Can - Lallana, Firmino, Coutinho - Sturridge

Schiedsrichter: Carballo (Spanien)