Neue Schlaudraff-List: Tore mit dem Außenrist
Hannover (dpa) - Aus den Lautsprechern dröhnte „Won't Forget These Days“, und diese Europokal-Rückkehr werden Hannover 96 und Jan Schlaudraff nicht so schnell vergessen. Selbst wenn im Rückspiel beim FC Sevilla der Einzug in die Gruppenphase der Europa-League verpasst werden sollte.
Als der überragende Stürmer beim 2:1-Sieg gegen den spanischen Spitzenclub nach 75 Minuten ausgewechselt wurde, wuchs der ohrenbetäubende Lärm noch um einige Phonstärken an. Die 43 500 wie euphorisiert wirkenden Fans erhoben sich und applaudierten dem Top-Mann in einem ungemein intensiven Match, dessen gefährliches Ergebnis für den Fußball-Bundesligisten im Jubel fast unterging.
„Ich habe ein gutes Spiel gemacht und bin absolut zufrieden“, sagte der zweifache Torschütze (6./45.). „Aber ich habe auch von der Super-Vorarbeit von Moa Abdellaoue und dem Super-Doppelpass mit Manuel Schmiedebach profitiert“, erläuterte der trickreiche und antrittsschnelle Ex-Nationalspieler seine Zaubertore. Bereits beim Bundesliga-Start gegen Hoffenheim hatte er mit einem schlitzohrigen Freistoß-Treffer positive Schlagzeilen produziert. Jetzt überraschte Schlaudraff mit einer neuen List, er traf per Außenrist.
„Jan war eiskalt vor dem Tor und ist unheimlich viele Wege gegangen“, lobte 96-Trainer Mirko Slomka den Matchwinner und das gesamte Team: „Wir haben Werbung gemacht für Hannover 96 und fahren mit Selbstvertrauen nach Sevilla.“ Die angekündigte Berufung von Torwart Ron-Robert Zieler in das Aufgebot für die Länderspiele gegen Österreich und Polen war am Freitag ein zusätzlicher Mutmacher für den Club, der gegen Sevilla erstmals auch DFL-Chef Christian Seifert zu Gast hatte.
„Ich fühle mich sehr wohl, weil ich endlich fit bin und seit zwei Jahren kaum eine Trainingseinheit verpasst habe“, begründete Schlaudraff seine Leistungssteigerung. Der frühere Bayern-Profi hat derzeit sogar 96-Torjäger Didier Ya Konan aus der Startelf verdrängt und drückte etwas auf die Euphorie-Bremse. „Das Gegentor ist ärgerlich“, sagte Schlaudraff über den zwischenzeitlichen Ausgleich von Sevillas Routinier Frederic Kanouté (37.). Ähnlich sah es auch Sportdirektor Jörg Schmadtke. „Das war etwas verschenkt“, meinte der Manager zu dem Fehler von Steven Cherundolo.
„Das Gegentor geht auf meine Kappe“, gab der 96-Kapitän zu. „In Sevilla brauchen wir eine noch bessere Leistung“. Bei den Spaniern, die ihr erstes Pflichtspiel in dieser Saison absolvierten, herrschte trotz der Niederlage Zuversicht. „Unsere Chance ist groß. Wir müssen nur ein Tor schießen“, sagte Piotr Trochowski. Der Ex-Hamburger konnte bei seinem Debüt für die Andalusier keine großen Akzente setzen, registrierte aber wie 4,54 Millionen ZDF-Zuschauer die außergewöhnliche Stimmung im Stadion. „Man hat gemerkt, dass Hannover 19 Jahre nicht europäisch gespielt hat“, sagte Trochowski.
Während er mit einem streikbedingten Ausfall des ersten Spieltags in Spanien rechnet, geht für Hannover 96 der Bundesliga-Alltag schon am Sonntag gegen Hertha BSC weiter. „Wir sind zwar ordentlich marschiert, dennoch sehe ich da keine Probleme für uns“, sagte Schlaudraff zu dem Kräfteverschleiß. Vier Siege in vier Spielen stehen im August für das furiose 96-Team zu Buche, zwei Bundesliga-Partien und das Rückspiel in Sevilla folgen noch. Es könnten nicht nur für Hannovers Rock-Band „Fury in the Slaughterhouse“ unvergessliche Tage werden.