Quarshie für de Wijs auf Schalke So erklärt Fortuna-Trainer Thioune seinen gefährlichen Wechsel
Gelsenkirchen/Düsseldorf · Der Trainer bringt in der Schlussphase auf Schalke Nachwuchsmann Joshua Quarshie. Was war die Idee dahinter?
Es läuft die 80. Minute in der Schalker Arena. Jordy de Wijs kann nicht mehr, signalisiert in Richtung Fortuna-Bank, dass er ausgewechselt werden muss. Eine durchaus knifflige Situation, da es im Westderby der beiden Traditionsklubs 1:1 steht und noch alles passieren kann. Da trifft Trainer Daniel Thioune eine überraschende Entscheidung: Er bringt für de Wijs den 19-jährigen Joshua Quarshie und nicht den erfahrenen Kapitän Andre Hoffmann.
Eine Entscheidung, die um ein Haar fatale Folgen gehabt hätte. Denn zunächst holzt Quarshie ohne Not am Strafraumeck Steven van der Sloot um, kassiert dafür eine hochverdiente Gelbe Karte und provoziert zugleich einen gefährlichen Freistoß. Tief in der Nachspielzeit dann zeigt Schiedsrichter Harm Osmers nach einem Zweikampf des 19-Jährigen mit Forzan Ouedraogo auf den Elfmeterpunkt und Quarshie Gelb-Rot.
Das Ganze geht noch einmal gut aus, da Osmers nach Zuruf des Videoassistenten Patrick Hanslbauer und Ansicht der entsprechenden Bilder beide Strafen zurücknimmt und es letztlich beim 1:1 bleibt. Fortunas Chefcoach jedoch ist sich absolut bewusst, dass alles auch ein ganz anderes Ende hätte nehmen können.
In Hexenkessel wie auf Schalke
ist ein kühler Kopf gefragt
„Im Nachgang ist das in der Bewertung recht leicht“, sagt Thioune ganz offen, „weil Joshua in zwei Situationen involviert war, die nicht optimal liefen. Aber ich wollte die Innenverteidiger-Positon links so verändern, dass dort jemand steht, der vornehmlich mit dem linken Fuß spielt. Und Joshua sollte eine gewisse Konterabsicherung sein, weil Kenan Karaman bei Schalke mit viel Tempo kommt. Joshi ist der schnellste Innenverteidiger in meinem Kader, somit sprach alles für ihn.“
Alles außer der Erfahrung, in einem solchen Hexenkessel wie der Arena auf Schalke kühlen Kopf zu bewahren. Und wäre die nicht in diesem Fall doch gefragter gewesen? Thioune weicht dieser Frage nicht aus. „Dass Andre ein unfassbar wichtiger Faktor für mein Team ist, steht außer Frage. Wie er die Jungs in der Halbzeit nimmt, in der Kabine nimmt! Er hat aktuell nicht die Platzzeit, das muss er respektieren, und das tut er auch. Ob er es auch akzeptiert? Das würde mir auch schwerfallen in seiner Position“, sagt der Coach.
Für Hoffmann eine schwierige Lage, denn „Tim Oberdorf ist unfassbar gut unterwegs aktuell“, ergänzt Thioune, „es ist überragend, was er spielt gerade. Hätte ich ihn dann wieder nach links geschoben, hätte ich damit wahrscheinlich mehr kaputtgemacht, als ich damit geheilt hätte. Ich habe dann mit meiner Entscheidung vielleicht Glück gehabt, dass es keinen Elfmeter gab; dann wäre es sicher die falsche Entscheidung gewesen, Joshua auf den Platz zu schicken.“
Doch wie geht es nun weiter mit Quarshie nach dessen unglücklichen Minuten in Gelsenkirchen? Muss Thioune sich seiner nun stärker annehmen? „Das sind Dinge, die Joshua schon in der ganzen Zeit, seit er hier ist, begleiten. Und die ihn auch weiter begleiten werden. Der Junge hat ein unfassbares Potential, was seine Dynamik und Athletik betrifft. Aber er hat eben auch noch ein relativ großes Potential, was Einschätzung von Handlungsoptionen betrifft.“ Zweiteres dann freilich eher im Sinne von „Luft nach oben“ – was bei einem 19-Jährigen absolut verständlich und schlichtweg normal ist.
Mit 19 Jahren kann man noch
kein fertiger Spieler sein
Insofern hätte es schon eher Thioune als Quarshie auf seine Kappe nehmen müssen, wenn das Experiment in die Binsen gegangen wäre. „Definitiv war die erste Szene ein überflüssiges Foulspiel“, sagt der Trainer. „Da ging es für ihn darum, den ersten Kontakt zu bekommen und vielleicht durchzurennen. Aber dann haut er ihn um, kriegt eine Gelbe Karte, und es gibt einen dieser gefährlichen Standards, die wir zum Glück überragend verteidigt haben. Aber so was müssen wir vorher verhindern und nicht die Schalker naiv in Situationen bringen, in denen sie gefährlich werden können.“
Und dann war da eben diese potentielle Elfmeterszene. „Das kann dann natürlich ein ganz böser Abend werden, und dann reden wir darüber. Dann schlägt der Augenblick den Gedanken, den ich habe, Tempo auf den Platz bringen zu wollen. In der Nachbetrachtung ist da sicherlich der Erfahrungswert: Andre Hoffmann wäre vielleicht ein bisschen cooler mit der Situation umgegangen. Joshua muss lernen.“
Was allerdings auch Quarshies gutes Recht ist. Denn mit 19 kann ein Innenverteidiger noch kein fertiger Spieler sein. Thiounes Aufgabe ist es, das Riesenpotential des gebürtigen Duisburgers zu nutzen, um einen immer besseren Profi aus ihm zu machen. Und für diesen reizvollen Job wird er immer wieder einmal Risiken eingehen müssen.