Film zum 125-jährigen Bestehen Auf großer Zeitreise mit der Fortuna

Analyse · Rezension Mathias Brühl und Ingo Krausen haben sehr viel Zeit investiert, um den Film zum 125. Geburtstag der Fortuna zu produzieren. Ein Aufwand, der sich gelohnt hat. Trotz Überlänge wird die Geschichtsstunde keine Sekunde langweilig.

Ein Höhepunkt im Film: Rudi Bommer, Egon Köhnen, Klaus Allofs, Gerd Zewe und Jupp Derwall (v. li.) 1979 mit dem DFB-Pokal.

Foto: Horstmüller

Schon der Vorspann bringt Gänsehaut. Ohne großes Brimborium haben Mathias Brühl und Ingo Krausen zu Carl Orffs „O Fortuna“ historische Bilder hintereinander geschnitten: die Meistertrophäe „Victoria“ von 1933, den Wimpel vom DFB-Pokalfinale 1980 gegen den 1. FC Köln, historische Spielplakate. Es ist der stimmungsvolle Auftakt zu fast drei Stunden Geschichtsunterricht, den die beiden mit ihrem Film zum 125. Geburtstag von Fortuna Düsseldorf geben. Drei Stunden, in denen keine Sekunde langweilig wird.

Der ganze Film ist gerade in der heutigen Zeit, in der man keinen Champions-League-Fernsehabend konsumieren kann, ohne von nichtssagenden Statistiken in schrillen Farben erschlagen und von bunten Brummkreiseln um die Spieler genervt wird, wohltuend zurückgenommen. Brühl und Krausen lassen Bilder erzählen. Zunächst Fotos, ab 1929 gibt es die ersten sportlichen Filmsequenzen – kurioserweise von einem Freundschaftsspiel anlässlich der Einweihung des Wuppertaler Waldstadions gegen Barmen.

Regisseure haben sehr viel Archivmaterial gesichtet

Aufgelockert wird diese frühe Phase, die erste von insgesamt sechs, in denen Fortunas Geschichte erzählt wird, von alten Wochenschau-Aufnahmen aus der Stadt und von wenigen nachgestellten Szenen wie der Legende um die Namensfindung, angeblich inspiriert von einem Pferdefuhrwerk der Brotfabrik Fortuna. Dazu gibt es keine aktuell geführten Interviews, etwa mit Historikern, die auf die Anfänge zurückblicken, oder mit Klublegenden, die von ihren zurückliegenden Spielerjahren berichten. Alle Gespräche, alle Spielszenen, die im Film zu sehen sind, stammen aus der betreffenden Zeit. „Wir wollten Fortunas Geschichte wie auf einem Zeitstrahl abbilden“, erklärt Brühl, „dabei streng chronologisch vorgehen. Diese Machart ist für Jubiläumsfilme möglicherweise sogar einmalig.“ Sein Kollege Krausen ergänzt: „Wir hätten sonst nicht den vielen Fortuna-Legenden gerecht werden können, die heute leider nicht mehr sprechen können.“ Spieler wie Paul Janes oder Toni Turek etwa – wobei Letzterer sogar in einem zeitgenössischen Fernsehinterview nach seiner Karriere zu Wort kommt.

Mit Ausnahme der wenigen nachgestellten historischen Szenen ist kein Material eigens für den Film gedreht worden. Die Regisseure haben in den zwei Jahren Produktionszeit Unmengen von Archivmaterial gesichtet und zusammengeschnitten. „Es war ein ganz großes Gewühl in verschiedenen Archiven“, berichtet Brühl. „Wie eine Schatzsuche, und wenn wir den passenden Schnipsel gefunden hatten, war es ein richtiges Glücksgefühl.“ So wie bei den Filmbildern vom gewonnenen Meisterschaftsfinale von 1933 gegen Schalke. „Es gibt genau drei Schnipsel davon“, sagt Krausen, „die mussten wir dann bearbeiten und zusammenstellen.“ Auf diese Weise findet zumindest Felix Zwolanowskis 1:0 Eingang in den Film; von Georg Hochgesangs 3:0 ist nur zu sehen, wie der Ball aus dem Netz geholt wird, Paul Mehls 2:0 hat keine Kamera eingefangen. Apropos Paul Mehl: Der Meisterheld von 1933 liefert ein Beispiel für viele Details, die selbst hartgesottene Fortunen durch den Film neu erfahren. Brühl und Krausen berichten nämlich anhand von Fotos, dass Mehl vor dem Finale wie einige seiner Kollegen noch gearbeitet hatte, in seinem Fall altbierzapfend in der Wirtschaft seiner Eltern. Die Schalker hingegen hatten schon tags zuvor ein Trainingslager bezogen. Von solchen liebevoll zusammengestellten Details lebt der Film, durch den ausschließlich die Stimme von Andreas Hecker und sorgfältig ausgesuchte Musik begleitet. Und natürlich gibt es aus der neuesten Zeit viel mehr bewegte Bilder als aus den 1950er- und 1960er- oder gar den Anfangsjahren. Dennoch unterliegen die Macher nicht der Versuchung, die Neuzeit zu stark zu betonen.

„Natürlich wird es eine Menge Leute geben, die bestimmte Spiele oder Bilder vermissen“, sagt Krausen, und Brühl ergänzt: „Die Auswahl war das Schwierigste, denn wir hätten locker einen Zehn-Stunden-Film oder eine Serie machen können.“ Am Ende werden aber auch solche Kritiker wohl zugeben, dass das Wichtigste drin ist. Und hätte man der legendären Über-die-Dörfer-Tour 1993/94 oder auch dem Europapokalfinale von Basel 1979 noch mehr Raum gegeben, dann wäre sicher kein Platz mehr gewesen für so herrliche Anekdoten wie das zeitgenössische Interview mit „Jupp“ Hellingrath, der die Spielerrevolte von 1967 gegen Trainer Kuno Klötzer erklärt, oder die Afrikareise von 1960. Aus Ghana und Nigeria brachten die Fortuna zwar unvergessliche Eindrücke mit, zudem im Ghanaer Charles Gyamfi den ersten afrikanischen Spieler nach Deutschland – für eine vernünftige Saisonvorbereitung war indes keine Zeit mehr, was wahrscheinlich der Grund für den Abstieg in Liga zwei war.

Solche Sequenzen sind die stillen Höhepunkte des Films, die neben den Siegtreffern aus den Pokalfinals oder den modernen Highlights wie Rouwen Hennings’ Aufstiegstor in Dresden (nicht zu vergessen: der sehenswerte Zeitraffer vom Aufbau der „Lena-Arena“) bestehen können. Wie der Vorstand in den 60ern Torjäger Peter Meyer von einem Detektiv beschatten ließ, weil er zu oft in der Altstadt war. Wie in den 90ern Spaziergänger nicht einmal geschenkte Fortuna-Eintrittskarten haben wollten.Es wird nichts geschönt. Fortunas häufiges sportliches Scheitern, wenn es darauf ankam, der Zuschauerniedergang, die Randale in den 1970ern mit skurrilen bis beklemmenden Fan-Interviews, Finanzpleiten, Vorstandskrisen. All das haben Brühl und Krausen ebenso hineingepackt wie Pokale und Aufstiege. Das macht ihren Film zu einem Stück Zeitgeschichte. „Wir sehen ihn als Grundkurs zur Fortuna-Geschichte“, beschreibt Ingo Krausen. „Die gedruckte Chronik ist dann der Leistungskurs.“