Torhüterin Angerer ein Fan der DFB-Jugendgruppe
Växjö (dpa) - Ratgeberin, Rebellin, Routinier - Nadine Angerer genießt in der deutschen Frauenfußball-Nationalmannschaft eine absolute Ausnahmestellung. Nicht nur, weil die Torhüterin mit 34 Jahren bei der EM in Schweden die Älteste im Kader ist.
Dies würde als Qualifikation für eine Führungspersönlichkeit kaum genügen. „Sie ist unsere Spielführerin. Sie hat schon so viel erlebt, viele Turniere gespielt. Deshalb ist sie sehr erfahren und in den letzten Jahren auch viel reifer geworden. Aber sie ist immer noch 'Natze'“, sagt Teammanagerin Doris Fitschen, und meint dies als großes Lob.
„Natze“, das ist seit jeher ihr Spitzname und mittlerweile eine Art Adelstitel, der auch den Gegnerinnen Respekt einflößt. Es ist kein Zufall, dass auf den EURO-Werbeplakaten im deutschen Vorrundenspielort Växjö das Konterfei der zweimalige Weltmeisterin (2003/2007) prangt. Die andere Poster-Variante ziert die junge Dzsenifer Marozsan, die sich diese Ehre durch herausragende Leistungen bei zwei U 20-Weltmeisterschaften (2010/2012) erwarb.
Angerer musste sich ihre Position im DFB-Gehäuse einst hart erkämpfen. Zehn Jahre lang war sie nur die Nummer zwei hinter der gesetzten Silke Rottenberg, die nun für das ZDF die Länderspiele als Expertin begleitet und als Torwarttrainerin der DFB-Juniorinnen fungiert. Erst vor der WM 2007 in China vollzog sich endgültig die Wachablösung. Prompt ging die in Lohr am Main geborene Angerer als ersten Torfrau in die WM-Geschichte ein, als sie die DFB-Elf ohne ein einziges Gegentor zum zweiten WM-Titel führte.
Bis dahin war es ein weiter Weg. Oft habe sie sich selbst im Wege gestanden, weil sie oft alles andere als professionell agierte. Das gibt sie rückblickend gerne zu. „Ich war immer ein Mensch, der das Leben genießt. Aber früher konnte ich manchmal nicht richtig differenzieren, wann ich einen Schritt zu weit gehe.“ Ihre Fehler seien ihr dann „ziemlich schonungslos mit allen Konsequenzen offenbart worden - auch im Kreis der Nationalmannschaft. Das war teilweise eine harte Tour“, gesteht sie.
Irgendwann habe sie es dann „kapiert“, meint Angerer, die den schwierigen Lernprozess zum guten Ende führte. Heute sind kleine Extravaganzen und Professionalität bestens austariert, auch wenn sie sich nie verbiegen würde und immer ein wenig nonkonform und freakig bleiben will. Aber: „Ich liebe diesen Sport einfach zu sehr, um meine Karriere leichtfertig aufs Spiel zu setzen.“
Angerer liebt Wohnmobile und Afrika, dort möchte die abenteuerlustige Frohnatur nach ihrer Laufbahn am liebsten ein Backpacker-Hotel eröffnen. Zuvor aber sind noch Karriereschritte geplant. Im September spielt die langjährige Torfrau des 1. FFC Frankfurt für fünf Monate in Australien, im nächsten April geht es für eine Saison in die US-Profiliga. Beide Clubs sind noch nicht bekannt. „Australien passt perfekt zu mir. Das war auch das Ziel, das ich als erstes anvisiert hatte“, erklärt sie im „FAZ“-Interview. Als dann noch andere Angebote eintrudelten, kam sie zwar ins Grübeln. Letztlich habe sie sich aber „fürs Abenteuer und gegen das Geld entschieden“.
Nun steht für die 118-malige Nationalspielerin erstmal die EM im Fokus. In Schweden könnte sie ihren fünften EM-Titel nach 1997, 2001, 2005 und 2009 gewinnen. Und sie genießt es sichtlich, sich mit den vielen jungen Wilden, von denen einige fast nur halb so alt sind wie sie, für dieses Ziel noch einmal voll reinzuhängen. Den „Kleinen, wie sie die jungen Teamgefährtinnen immer nennt, steht sie als Ratgeberin jederzeit zur Seite.
„In der Vorbereitung war ich immer die Letzte, die ins Bett ging. Ich musste vorher noch kontrollieren, ob die Mädels alle schon brav schlafen“, erzählt sie schelmisch grinsend. Und etwas ernsthafter fügt die nie um einen Spruch verlegene „Mutti“ an, wie sehr sie sich mit dem lernwilligen Team identifiziert: „Ich bin total begeistert von dieser Mannschaft. Sie ist für jede Trainerin ein Geschenk.“