Germany statt Guernsey: Highlight für Gibraltars Amateure
Faro (dpa) - Was immer Lee Casciaro in seinem Leben als Fußballer auch noch passieren mag, ein Eintrag in die Geschichtsbücher ist ihm sicher. Beim 1:6 Gibraltars in der EM-Qualifikation in Schottland erzielte der Stürmer im März das erste Pflichtspieltor für die Amateur-Auswahl vom Affenfelsen.
Der Treffer des Polizeibeamten von Meister und Pokalsieger Lincoln Red Imps FC war für die Underdogs des europäischen Fußballs Grund zur Freude genug im Hampden Park von Glasgow. Ein Tor gegen Weltmeister Deutschland am Samstag (20.45 Uhr) würde das Glücksgefühl aber sicher noch toppen.
Schon beim 0:4 im Hinspiel wäre Liam Walker - einer der wenigen Akteure mit Profierfahrung im Team des UEFA-Neulings - per Bogenlampe gegen Manuel Neuer fast der Coup gelungen. „Was für ein Tor wäre das gewesen“, schwärmte der damalige Trainer Allen Bula. Am Samstag wird wieder Interimstrainer David Wilson, der nach dem Abschied Bulas übernommen hat, den „Gibs“ eine ultra-defensive Taktik verordnen. Eine Wiederholung des knappen Resultats von Nürnberg wäre für Gibraltar ein Erfolg.
Trotz null Punkten und 1:27 Toren in der Qualifikationsgruppe D: Der letzte deutsche Saisongegner vor der Sommerpause bietet viel Stoff für Fußball-Romantik. Fernab des glitzernden Profisports wird unter dem berühmten Affenfelsen in 1. und 2. Liga auf Amateurniveau gespielt. Das Duell mit dem Weltmeister im portugiesischen Faro ist das größte „Heimspiel“ in der erstaunlich langen Verbandshistorie.
Fußball hat in Gibraltar nämlich Tradition. Schon seit dem Ende des 19. Jahrhunderts wird dort gekickt - so wie fast überall in Europa. Und auch die organisatorischen Strukturen wurden früh festgelegt. Den nationalen Fußballverband gibt es schon seit 1895 und damit fünf Jahre länger als den Deutschen Fußball-Bund.
In Gibraltar gibt es kein Stadion, das den UEFA-Anforderungen für offizielle Länderspiele genügt. Deshalb weicht das Team ins portugiesische Faro aus. Nur einige tausend Zuschauer werden in der ehemaligen EM-Arena erwartet - darunter viele Algarve-Touristen.
Im Gibraltar näher gelegenen Sevilla oder Malaga kann nicht gespielt werden, da Spanien und Gibraltar bedingt durch die Historie ein politisch angespanntes Verhältnis haben. Der spanische Fußball-Verband wehrte sich auch lange gegen die Aufnahme des britischen Überseegebiets in die UEFA. Diese wurde erst nach einem Urteil des Sportgerichtshofs CAS im Mai 2013 vollzogen.
In der FIFA ist Gibraltar immer noch nicht vertreten. Der Antrag ist aber gestellt. Die FIFA-Statuten sind jedoch strenger als die der UEFA. Sie verlangen eine staatliche Anerkennung des Territoriums, die Gibraltar nicht vorweisen kann. In der Qualifikation für die WM 2018 in Russland ist Gibraltar daher wieder nur Zuschauer, muss sich bis zur nächsten EM-Ausscheidungsrunde wieder mit Testspielen begnügen. Wie einst vor der UEFA-Aufnahme bei den sogenannten Insel-Spielen gegen Teams wie Guernsey.