Baulärm statt Fangesang: Maracanã wird erneuert

Rio de Janeiro (dpa) - Es ist die wohl prominenteste WM-Baustelle Brasiliens: Das 61 Jahre alte Maracanã-Stadion in Rio wird runderneuert. Für den Confed-Cup 2013 soll es in neuem Glanz erstrahlen - und ein Jahr später zum zweiten Mal in seiner Geschichte Schauplatz eines WM-Finales sein.

Dort, wo sonst Brasiliens Fußball-Helden die Massen zum Kochen bringen, liegen heute riesige Stahlrohre, Eisenmatten und Sandhaufen. Auf dem grünen Rasen des Maracanã-Stadions schieben Bagger Erdmassen zur Seite, gigantische Kräne demontieren in schwindelerregender Höhe Stützpfeiler des alten Daches. Das Stadion in Rio ist in die Jahre gekommen - für den Confed-Cup 2013 wird es nun hübsch gemacht.

Mehr als 2000 Arbeiter sind auf der Baustelle im Einsatz. Die Sanierungskosten liegen bei mindestens 776 Millionen Reais (317 Mio. Euro). Schätzungen zufolge könnte die Summe bis 2013 allerdings auf bis zu eine Milliarde Reais steigen.

Nicht alle waren für den Umbau des 61 Jahre alten Stadions, das erst zu den Panamerikanischen Spielen 2007 aufwendig renoviert worden war. Der frühere FIFA-Präsident João Havelange war einer der Gegner. „Das Maracanã sollte abgerissen werden. Das Morumbi (in São Paulo) auch“, sagte der heute 95-jährige Brasilianer schon 2008. „Wir müssen uns entwickeln, ins 21. Jahrhundert eintreten und nicht immer an die Vergangenheit denken.“ Doch letztlich setzten sich die durch, die das Stadion für eine Ikone, ein Stück Identität und ein Aushängeschild des Fußball-Landes Brasiliens halten.

Papst Johannes Paul II. war in dem Stadion, auch Frank Sinatra, die Rolling Stones und Madonna. Auf dem Rasen dribbelten, kämpften siegten und verloren ganze Generationen von Fußball-Legenden. „König“ Pelé schoss im Maracanã sein erstes Länderspieltor und 1969 sein 1000. Tor. Die Fußballnation Brasilien sah im Maracanã auch ihre schwärzeste Stunde, als beim WM-Endspiel am 16. Juli 1950 die Seleção der Auswahl Uruguays mit 2:1 unterlag - ein nationales Trauma bis heute. Am 13. Juli 2014 wird zum zweiten Mal ein WM-Endspiel im Maracanã angepfiffen. Sollte der Gastgeber ins Finale kommen, wird Brasilien an diesem Tag den Atem anhalten.

Dann werden aber „nur“ 76 000 Zuschauer im Stadion sein und nicht wie 1950 rund 200 000. „1950 war dies nur möglich, weil es hauptsächlich Stehplätze gab. Heute ist das unvorstellbar“, sagt Architekt Ralf Amann, der das Büro von Gerkan, Marg und Partner (gmp) in Brasilien leitet. Die Firma baut für die WM 2014 derzeit das Nationalstadion in Brasília, das Mineirão-Stadion in Belo Horizonte und die Arena da Amazônia in Manaus.

Im Maracanã ist gmp nicht tätig, doch Amann kennt die Details des Mega-Projektes genau. Anders als bei anderen Stadien könne etwa das Spielfeld zur Verbesserung der Sichtlinienverhältnisse nicht abgesenkt werden, erklärte er kürzlich einer Delegation aus Baden-Württemberg bei einem Baustellenbesuch. Der Grund: Unter dem Spielfeld verläuft der Maracanã-Fluss, der komplett kanalisiert werden muss.

Neben neuen VIP-Lounges werden ein Medienbereich, eine Polizeistation und Ambulanzräume gebaut. „Auch ein Gefängnis ist Vorschrift der FIFA“, erzählt der Architekt. Das neue Dach, das die Ingenieur-Firma „schlaich bergermann und partner“ aus Stuttgart baut, wird sich über fast alle Sitze erstrecken, nur 3800 bleiben frei.

Damit alles rechtzeitig fertig ist, muss sich das aus den Firmen Gutierrez, Odebrecht und Delta bestehende Baukonsortium sputen. Nicht zuletzt, weil kürzlich Streiks die Arbeiten auf Brasiliens prominentester WM-Baustelle lahmlegten. Es gibt Zweifel, ob der Zeitplan bis zum Confederations Cup 2013 eingehalten werden kann. Architekt Amann, der seit Jahren in Rio lebt, erinnert an ein geflügeltes Wort in Brasilien: „Am Ende wird alles gut. Und wenn es nicht gut ist, dann ist das Ende noch nicht gekommen.“