Bayern trotzig: Auch ohne Vidal „top besetzt“
München (dpa) - Für Jupp Heynckes war die Fahnenflucht seines Lieblingsspielers Arturo Vidal eine persönliche Enttäuschung. Die hohen Ambitionen des FC Bayern in der neuen Saison kann sie jedoch nicht trüben.
„Das ist für uns kein Problem“, versicherte Sportdirektor Christian Nerlinger und verwies auf den auch ohne Vidal luxuriös besetzten Kader des deutschen Fußball-Rekordmeisters: „Unser Mittelfeld ist top besetzt und genügt höchsten Ansprüchen.“
Vidal wird sportlich eher eine große Lücke bei Bayer Leverkusen hinterlassen. Beim Vizemeister war der 24 Jahre alte Chilene in der vergangenen Saison unter Heynckes der wertvollste Profi. In 33 Ligaeinsätzen glänzte der bissige Südamerikaner nicht nur defensiv als Abräumer: Vidal bestach mit zehn Toren und neun Torvorlagen auch in der Offensive. Ob Bayer die erwarteten Transfer-Millionen aus dem offiziell noch nicht bestätigten Verkauf an Juventus Turin reinvestieren wird, ist offen. Der neue Trainer Robin Dutt erklärte aber unlängst, auch ohne Vidal habe Bayer „einen sehr guten Kader“.
Das gilt erst recht für die Bayern, die nach einer titellosen Saison 2010/2011 mit neuen Stareinkäufen Jagd auf Meister Borussia Dortmund machen wollen. Nationalspieler Bastian Schweinsteiger ist im defensiven Mittelfeld als feste Größe gesetzt. Für die zweite Sechser-Position hat Trainer Heynckes die freie Auswahl: Luiz Gustavo und Anatoli Timoschtschuk sind die defensiver ausgerichteten Lösungen. Dazu kommen der offensive Toni Kroos, Talent David Alaba und der Kroate Danijel Pranjic. „Das Wohl und Wehe des FC Bayern hängt nicht von Arturo Vidal ab“, kommentierte Bayern-Präsident Uli Hoeneß trotzig und auch beleidigt die Juve-Entscheidung des Chilenen.
Der Vidal-Wechsel passt nicht zum Selbstverständnis der Bayern. Heynckes war davon überzeugt gewesen, dass ihm sein Ex-Schützling aus Leverkusen nach München folgen würde. „Wenn nicht dieses Jahr, dann im nächsten“, hatte der 66-Jährige erklärt. Hoeneß prangerte darum sogar öffentlich einen Wortbruch Vidals an. Wort hielten dagegen die Verantwortlichen von Bayer Leverkusen: Sie hatten erklärt, Vidal ein Jahr vor Auflaufen seines Vertrags nur in das Ausland ziehen zu lassen - aber niemals innerhalb der Bundesliga zum FC Bayern.
Das ist Rudi Völler & Co. gelungen. 2012 wäre Vidal ablösefrei auf den Markt gekommen, jetzt soll er für eine Summe zwischen 10,5 und zwölf Millionen Euro nach Italien wechseln. 2007 kostete der Chilene Bayer etwa 5,5 Millionen Euro. 30 Prozent der jetzigen Ablöse von Juve fließen laut Vertrag allerdings an seinen Heimatclub Colo Colo.
Nach dem Abgang von Vidal werde es hinsichtlich Neueinkäufen „keinen Aktionismus“ geben, kündigte Bayer-Sportdirektor Völler an. Trainer Dutt verfügt über einige - auch namhafte - Alternativen in seinem Kader: Michael Ballack, Simon Rolfes, Hanno Balitsch, Gonzalo Castro, Stefan Reinartz oder Lars Bender könnten Vidals Position und Aufgaben übernehmen - ob genauso gut, wird sich zeigen müssen.