„BRAAAZIIIIIL!!!“: Bosnier feiern erste WM-Teilnahme
Frankfurt/Main (dpa) - Die Reporter des bosnischen Fernsehens stellten keine Fragen oder lieferten irgendwelche Analysen - sie feierten einfach mit. Singend und tanzend bewegten sie sich mit ihren Mikrofonen in der Hand in einem Pulk aus jubelnden Spielern.
21 Jahre nach seiner Unabhängigkeit hatte sich das kleine Bosnien-Herzegowina gerade durch einen 1:0-Sieg in Litauen zum ersten Mal für eine Fußball-WM qualifiziert.
Die singenden Reporter waren nur das skurrilste Bild in einer Jubelwelle, die am Dienstagabend das halbe Land erfasste. Mehrere zehntausend Fans feierten in den Straßen der Hauptstadt Sarajevo. Als die Mannschaft mit ihren zahlreichen aktuellen und ehemaligen Bundesliga-Stars wie Vedad Ibisevic (VfB Stuttgart), Zvjezdan Misimovic (Guizhou Renhe) und Emir Spahic (Bayer Leverkusen) um 1.30 Uhr wieder in der Heimat gelandet war, wurde sie noch mitten in der Nacht in einem offenen Bus vom Flughafen ins Stadtzentrum gefahren.
„Was für ein großartiger Abend“, sagte Trainer Safet Susic. „Die Spieler haben immer daran geglaubt, dass sie es schaffen können, ich habe an sie geglaubt - so haben wir es gepackt!“
Aber gerade in der Stunde des bislang größten sportlichen Erfolgs zeigte sich, wie zerrissen dieses ethnisch geteilte Land 18 Jahre nach dem Ende des Bosnien-Krieges noch immer ist. Zwischen 1992 und 1995 war Bosnien-Herzegowina das größte Schlachtfeld in den Erbfolgekriegen auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawiens.
Noch heute sind mehr als ein Drittel der Bevölkerung der jungen Republik bosnische Serben, die in ihrem eigenen, autonomen Gebiet leben. Während die Menschen in Sarajevo durch die Straßen tanzten, war die Reaktion in der „Republika Srpska“ auf die WM-Qualifikation „kälter als kühl“, wie Beobachter am Mittwoch schrieben.
Kapitän Spahic war aber selbst das nach dem Sieg in Litauen egal. „Danke an alle in Bosnien-Herzegowina und auch danke an all jene, die gegen uns waren“, sagte der Verteidiger von Bayer Leverkusen. Es gibt diesem Erreichen der WM noch eine besondere Würze, dass Serbien, Montenegro, Slowenien und Mazedonien in den anderen Qualifikations- Gruppen mehr oder minder kläglich scheiterten und auch die Kroaten erst noch den Umweg über die Relegation nehmen müssen. Zumindest für ein paar Wochen sind die Bosnier auf einmal die fußballerische Nummer eins unter den ehemaligen jugoslawischen Teilrepubliken.
Eine große Überraschung ist das allerdings nicht mehr. Schon vor der WM 2010 und der EM 2012 scheiterte Bosnien-Herzegowina erst in den Playoffs an der Qualifikation für ein großes Turnier. Die Stürmer Edin Dzeko (Manchester City) und Ibisevic hätten mehrere andere Teams 2014 in Brasilien wahrscheinlich auch gern in ihren Reihen - der Stuttgarter Ibisevic erzielte am Dienstagabend in der 68. Minute das Siegtor. Auch Spielmacher Miralem Pjanic vom AS Rom verkörpert sehr weit gehobenes internationales Niveau. Spieler wie Ermin Bicakcic (Eintracht Braunschweig), Sejad Salihovic (1899 Hoffenheim) oder Jasmin Fejzic (VfR Aalen) wuchsen nach dem Krieg in Deutschland auf.
„Dieses Team wird mit jedem Spiel besser“, sagte Trainer Safet Susic, der als Spieler für das ehemalige Jugoslawien bereits an den Weltmeisterschaften 1982 und 1990 teilnahm. „Es wäre absolut ungerecht gewesen, wenn wir uns nicht qualifiziert hätten.“ Der Braunschweiger Bicakcic sieht das genauso. Er twitterte noch aus der Umkleidekabine ein Foto von sich, Miralem Pjanic und der bosnischen Fahne aus der Kabine und schrieb stolz dazu: „BRAAAZIIIIIL!!!“