England beklagt Manipulations-„Epidemie“
London (dpa) - Das Fußball-Mutterland England ist von einer „Epidemie“ geschockt, in der österreichischen Manipulationsaffäre verliert ein weiterer Bundesligaprofi seine Anstellung.
Die Wettskandale, in denen erneut auch WM-Qualifikationsspiele unter Verdacht geraten sind, ziehen in beiden Ländern immer weitere Kreise. Als Konsequenz aus den neuesten Enthüllungen fordern Experten nun stärkere Eingriffe in den weltweiten Wettmarkt. „Dieser Schock sollte genutzt werden, um internationale Bemühungen zu ermutigen, Sportwetten zu regulieren“, betonte Chris Eaton, früherer Sicherheitsdirektor des Weltverbands FIFA und heutiger Direktor des Internationalen Zentrums für Sportsicherheit.
Nachdem ein Verdächtiger in England behauptet hatte, auch WM-Qualifikationsspiele manipuliert und ein afrikanisches Team unter Kontrolle zu haben, wurden zwei Männer wegen Verabredung zum Betrug angeklagt. Der Fall der Verdächtigen singapurischer Herkunft soll nach einer Gerichtsentscheidung am Freitag in zwei Wochen vor dem Strafgerichtshof in Birmingham verhandelt werden. Sie sollen nach Angaben der ermittelnden National Crime Agency im November den Ausgang von unterklassigen Fußballspielen beeinflusst und Wetten darauf platziert haben. „Lasst das nicht unseren Sport ruinieren“, warnte das Boulevardblatt „Daily Mail“ (Freitag).
Einer Mitteilung der Premier League und der Football League zufolge sollen zwar keine Partien der obersten vier Spielklassen von der Manipulationsaffäre betroffen sein. Allerdings hatte einer der Verdächtigen, der aus Singapur stammen soll, geprahlt, er könne mit Hilfe eines von der FIFA lizenzierten Spielerberaters Partien in aller Welt beeinflussen.
Der „Guardian“ sieht deshalb bereits „eine Epidemie außer Kontrolle“. Tony Higgins, Chef der schottischen Spielergewerkschaft erkennt auch durch die insgesamt sieben Festnahmen in Großbritannien keinen Fortschritt. „Die Realität ist: Wenn wir zum Kopf der Schlange vorgedrungen sind, kommt eine andere, die Spielern, Schiedsrichtern und Clubs Geld anbietet.“
Auch in Österreich kommt nur langsam Licht ins Dunkel der kriminellen Machenschaften der internationalen Wettsyndikate. Der Bundesligist SV Grödig trennte sich nach Dominique Taboga von einem zweiten Profi. Der Vertrag mit Verteidiger Thomas Zündel sei nach einem „großen Vertrauensbruch“ aufgelöst worden, sagte Grödigs Manager Christian Haas. Die Liga leitete am Freitag ein Verfahren gegen Zündel ein. Der Spieler wird verdächtigt, gegen die Rechtspflegeordnung des Österreichischen Fußball-Bundes (ÖFB) verstoßen zu haben.
Der in Untersuchungshaft sitzende Taboga soll vergangene Saison versucht haben, insgesamt vier damalige Mannschaftskameraden für Spielmanipulationen zu gewinnen. „Das ist ein gewaltiger Hammer für den Fußball, aber wir werden alles unternehmen, um uns von dieser Geißel zu befreien“, erklärte ÖFB-Präsident Leopold Windtner zur gesamten Affäre.
Angesichts der Ausmaße mit insgesamt rund 30 aktiven oder ehemaligen verdächtigen Profis forderten der ÖFB und die Bundesliga alle Spieler, Trainer und Funktionäre zu schriftlichen Erklärungen auf. Darin sollen die Akteure der beiden Profiligen sowie der Regionalligen bestätigen, nichts mit Schiebungen zu tun zu haben. „Wir wollen damit sicherstellen, dass keine weiteren Verdachtsmomente bestehen“, sagte Bundesliga-Präsident Hans Rinner.
Der Ligachef pochte zudem ähnlich wie Eaton darauf, dass Ereigniswetten zum Beispiel auf Elfmeter oder Karten eingeschränkt werden. Rinner will deshalb den Kontakt zu Wettanbietern und den internationalen Verbänden UEFA oder FIFA suchen. Unregulierte Wettmärkte in Asien ließen sich damit allerdings wohl kaum eindämmen.
Auch bleibt angesichts immer neuer Offenbarungen offen, wie schnell dies geschehen kann. „Wir haben jeden Tag einen neuen Fall in einem oder mehreren europäischen Ländern“, sagte der frühere OFB-Präsident und heutige Lotterienvorstand Friedrich Stickler. „Match Fixing ist heute die größte Gefahr für den Sport.“ Nach Ansicht von ÖFB-Chef Windtner könnte die Affäre allerdings auch etwas Positives bewirken: „Ich sehe die Krise auch als Chance, um die Reputation unseres Fußballs wieder herzustellen.“ Bis dahin ist es aber nicht nur in Österreich noch ein weiter Weg.