Gut oder schlecht? Englands Fußball debattiert über Brexit-Folgen
London (dpa) - Der Ausgang der Brexit-Verhandlungen zwischen Großbritannien und der Europäischen Union ist nicht abzusehen. Dass der EU-Austritt Konsequenzen für den englischen Fußball haben wird, steht indes jetzt schon fest.
Strittig ist allerdings, ob die Folgen des Brexits eher positiver oder negativer Natur sein werden. „Die Regulierung der Arbeitserlaubnis nach dem Brexit wird einen dramatischen Einfluss auf den englischen Fußball haben“, sind sich die Sportanwälte Jake Cohen und Carol Couse sicher.
In der Premier League ist man deshalb besorgt. Clubbesitzer in Englands höchster Spielklasse fürchten Hindernisse bei der Verpflichtung ausländischer Profis. Schon im März, unmittelbar nachdem die britische Premierministerin Theresa May den Abschied ihres Landes aus der EU formal verkündet hatte, kamen die 20 Vereinsbosse zusammen.
Stellvertretend für alle Clubs richteten die Inhaber von West Ham United und Stoke City einen Aufruf an die Politik. David Gold und Peter Coates, die zu den einflussreichsten Clubbesitzern der Liga gezählt werden, riefen die Regierung auf, Möglichkeiten aufzuzeigen, wie der englische Fußball vor einem möglichen Brexit-Schaden bewahrt werden kann.
Gold und Coates forderten in der britischen Tageszeitung „The Independent“, die Bewegungsfreiheit internationaler Topspieler müsse geschützt werden. Bisher kann jeder Fußballer aus einem europäischen Land uneingeschränkt für jeden Premier-League-Verein spielen. Wer hingegen aus einem Land außerhalb der EU stammt, braucht eine Arbeitserlaubnis und dafür wiederum die Zustimmung des nationalen Fußballverbands FA. Voraussetzung für die Genehmigung ist, dass der Profi - vereinfacht gesagt - ein etablierter Nationalspieler ist.
Eine solche Regelung - so befürchten die britischen Clubs - könnte nach dem Brexit auch für Profis aus EU-Ländern gelten. Dies würde nach Ansicht der Vereinsbosse einen Nachteil gegenüber der europäischen Konkurrenz bedeuten.
Die Befürchtungen scheinen durchaus berechtigt zu sein. Tatsächlich will FA-Präsident Greg Clarke den Brexit als Gelegenheit nutzen, den Zugang ausländischer Profis zur Premier League zu beschränken. „Wir wollen ein paar weniger internationale Wandervögel“, erklärte Clarke der Tageszeitung „Telegraph“. „Es muss eine vernünftige Basis geben, auf der Weltklasse-Spieler in die Premier League kommen, aber nicht Legionäre, die junge englische Talente verdrängen.“
In diesem Jahr machen englische Profis nach Informationen der Zeitung „The Independent“ nur 33 Prozent der Spieler in der Premier League aus. Viele sehen einen Zusammenhang zwischen dieser Quote und dem schlechten Abschneiden der Nationalmannschaft bei der Europameisterschaft 2016.
Wenn die Premier League sich mehr auf englische Talente konzentrieren muss, könnte dies nach Ansicht des Verbands langfristig einen positiven Effekt auf die Three Lions haben. „Wir haben jetzt die Möglichkeit zu sehen, was für das Spiel am besten ist“, betonte Clarke. „Und ich meine nicht nur für die Nationalmannschaft. Ich meine, wie wir junge englische Spieler in die ersten Mannschaften der Liga bekommen.“
Im Umkehrschluss hätten junge ausländische Spieler, die noch keine Stars sind, es in Zukunft schwerer, nach England zu wechseln. Der Franzose N'Golo Kanté zum Beispiel, der in den vergangenen Jahren als Stammspieler mit Leicester City und dem FC Chelsea die Meisterschaft gewann, wäre womöglich nie in die Premier League gekommen. Denn als Kanté im Alter von 24 Jahren von Leicester verpflichtet wurde, hatte er noch kein Länderspiel für Frankreich bestritten. Inzwischen sind es 17.