Erst Matthäus, nun Möller: Deutsche prägen Ungarns Fußball

Oslo (dpa) - Der ungarische Fußball und die Deutschen - das ist seit mehr als 60 Jahren ein heikles Thema. Das verlorene WM-Finale von 1954 hat in Ungarn nach wie vor den Rang eines nationalen Traumas.

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Und jetzt soll ausgerechnet eine Reihe von Trainern aus dem Land des damaligen wie aktuellen Weltmeisters dafür sorgen, dass der ungarische Fußball zumindest ein kleines Bisschen von seiner früheren Größe zurückerhält.

Vor den beiden Playoff-Spielen zur EM 2016 gegen Norwegen kommen der Cheftrainer und Sportdirektor (Bernd Storck) der Nationalmannschaft aus Deutschland, dazu sein neuer Assistent (Andreas Möller) und auch sein Torwarttrainer (Holger Gehrke). Mit Ferencvaros Budapest wird der bedeutendste und mittlerweile auch wieder beste Club des Landes ebenfalls von einem Deutschen (Thomas Doll) trainiert. Außerdem lebt der frühere Nationalcoach und Wegbereiter dieser Entwicklung (Lothar Matthäus) seit fast zwölf Jahren in der ungarischen Hauptstadt.

Wer jetzt noch wissen will, welche Bedeutung die beiden Spiele am Donnerstag in Oslo und Sonntag in Budapest gegen die Norweger haben, der muss dazu nur einen Stürmer von 1899 Hoffenheim fragen. „Für jeden von uns sind das die beiden wichtigsten Spiele in unserer Karriere“, sagte Adam Szalai. Schließlich waren die Erben von Ferenc Puskas zuletzt bei der WM 1986 bei einem großen Turnier dabei.

Als der frühere Weltmeister und Weltfußballer Matthäus 2004 als Nationaltrainer eingestellt wurde, war man in Ungarn noch stolz auf diesen Coup. Mittlerweile wird das Engagement seiner deutschen Nachfolger eher kritisch gesehen. Storck übernahm das Team im Sommer von Pal Dardai, weil der nicht gleichzeitig den Bundesligisten Hertha BSC und die Auswahl seines Heimatlandes trainieren sollte. Doch in den bisherigen vier Spielen unter der Leitung des Mannes, der nach seiner Zeit als Co-Trainer bei der Hertha schon für Partizan Belgrad, in Kasachstan und als Nachwuchs-Chef von Olympiakos Piräus arbeitete, sprang lediglich ein 2:1-Sieg gegen die Färöer-Inseln heraus.

Fans und Medien sehen in Storck nicht etwa denjenigen, der ihre Nationalmannschaft in die Playoffs geführt hat. Sondern eher jemanden, der die direkte Qualifikation für die EM verpasste. Denn nach Jahren der Bedeutungslosigkeit haben die Ungarn immerhin wieder ein paar namhafte Spieler wie Szalai oder den auch von Hertha BSC umworbenen Balazs Dzsudzsak (Bursaspor) auf dem Platz. Storck selbst erklärte vor dem Hinspiel in Oslo: „Auch im internationalen Vergleich haben wir wieder ein solides und vor allem schnelles Team.“

Die Verpflichtung von Andreas Möller war vor drei Wochen eine große Überraschung. Storck und er spielten früher einmal gemeinsam bei Borussia Dortmund. Doch auch hier galt: Möller wurde nicht etwa stolz als Weltmeister von 1990 empfangen. Sondern eher skeptisch als der Mann, für den der frühere ungarische Nationalspieler und WM-Teilnehmer Tibor Nyilasi aus dem Trainerstab weichen musste.

An diesem Montag gab Möller im Trainingszentrum Telki bei Budapest eine erste Pressekonferenz, bei der er ganz freundlich das Potenzial der Mannschaft lobte und lediglich von der letzten „Feinabstimmung“ sprach, die ihr noch fehle. Die Resonanz darauf war zumindest in Teilen vernichtend: „Wir haben uns von Möller mehr erwartet“, schrieb das Internetportal ripost.hu. „Statt nichtssagender, leerer Phrasen haben wir das erwartet, was wir früher von ihm als Spieler gesehen haben: einen aggressiven Habitus und entschlossene Worte.“

Abgesehen davon, dass ein „aggressiver Habitus“ nicht unbedingt das Erste ist, was einem zu Möllers Spielerlaufbahn einfällt: Man schätzt in Ungarn realistisch ein, dass man in den Playoffs nur Außenseiter ist. Denn mit Rune Jarstein, Per Ciljan Skjelbred (beide Hertha BSC), Orjan Nyland (Ingolstadt), Havard Nordtveit (Gladbach), Even Hovland (Nürnberg) und Veton Berisha (Fürth) haben die Norweger gleich sechs aktuelle Deutschland-Legionäre im Aufgebot.