„Ganz anders“: Finkes WM-Job für Kamerun
Florianópolis (dpa) - Volker Finke blickt mit gerunzelter Stirn auf den Strauß von Mikrofonen, der vor ihm plötzlich aufblüht. Den Reportern beim WM-Workshop im brasilianischen Badeort Florianópolis entkommt so schnell kein Nationaltrainer.
Vor der Fußball-Weltmeisterschaft muss der deutsche Chefcoach von Kameruns Auswahl erstmal erklären, dass es schon „beaucoup, beaucoup, beaucoup“ sei, also schon mal ganz bemerkenswert, dass sich seine Mannschaft überhaupt für die Endrunde qualifiziert hat. Denn die Euphorie in seiner neuen Wahlheimat ist unermesslich: „Im Grunde ist die Erwartungshaltung, dass wir ins Endspiel kommen“, erklärt er in einem dpa-Gespräch.
Dabei haben es die „Unbezähmbaren Löwen“, wie das Nationalteam genannt wird, in der Vorrunde mit Kalibern wie Mexiko, Kroatien und Brasilien zu tun. Der Viertelfinalist von 1990 und sechsmalige WM-Teilnehmer hat sich nach zwei verpassten Afrika-Cup-Teilnahmen wieder aufgerappelt und kam über die Playoffs gegen Tunesien nach Brasilien. „Viele glauben, dass die Mannschaft wieder so gut ist wie 2002, als sie den Afrika-Cup gewann“, meint Finke.
Er selbst hält sich nicht nur mit Prognosen für seine eigene Mannschaft zurück, sondern auch mit öffentlichen Kommentaren zu seinem höchst komplexen Arbeitsumfeld. „Es ist alles doppelt schwierig und ganz anders“, sagt über seinen Job, der ihn mit 65 ziemlich unerwartet noch zu einer Weltmeisterschaft bringt - nach seiner Bundesliga-Rekord-Amtszeit beim SC Freiburg, nach zwei Jahren bei den Urawa Red Diamonds in Japan und einer gut einjährigen turbulenten Amtszeit als Sportdirektor beim 1. FC Köln.
Dass für ihn damit ein Traum in Erfüllung gehe - mit solchen Formulierungen kann der immer noch stets streitbare Finke wenig anfangen. „Das stimmt so auch nicht. Wenn ich darauf erpicht gewesen wäre, eine Nationalmannschaft zu trainieren, hätte ich es früher gemacht und wäre nicht 16 Jahre in Freiburg geblieben“, erklärt er im noblen Tagungshotel Costão do Santinho.
Finke galt mal als ein Kandidat für das Amt des Bundestrainers und war durch seine ausländischen Profis in Freiburg vor allem nach Afrika gut verdrahtet. Heute ist er neben Ottmar Hitzfeld (Schweiz) und Jürgen Klinsmann (USA) der dritte deutsche Trainer, der für eine WM-Mannschaft neben Deutschland verantwortlich ist. Und das in einem Kontinent, wo die Machtverhältnisse im Fußball ähnlich wie in der Politik oft von Korruption und Chaos dominiert werden. So war Kameruns Nationalmannschaft vom Weltverband FIFA zwischenzeitlich wegen unerlaubter Einmischung der Politik suspendiert. Seit Finkes Amtsantritt im Mai 2013 ist zudem Samuel Eto'o ein Dauerthema: Kameruns Stürmerstar vom FC Chelsea machte seinen Rücktritt aus der Nationalmannschaft wieder rückgängig und will jetzt bei der WM noch einmal die große Bühne nutzen.
Dass Altstar Roger Milla schon mal in Interviews Finke kritisiert, versucht dieser gelassen zu nehmen. Es gebe eben eine große Skepsis ausländischen Trainern gegenüber. „Manchmal ist schon der Eindruck entstanden, dass sie einfach nur Geld verdienen wollen und dann schnell wieder verschwinden.“ Finke selbst hat - neben Freiburg und Köln - auch einen Wohnsitz in Yaoundé und arbeitet nach eigenen Angaben über die Hälfte seiner Zeit von Kamerun aus.
Auf die WM hinzuarbeiten, sagt er, „das ist eine Sache, die sehr, sehr viel Freude macht. Auch wenn es eine Herausforderung ist, in der Balance immer in der Mitte, also beim Fußball, zu bleiben.“ Sein Vertrag läuft noch bis 2015, also über den Afrika-Cup 2015 in Marokko hinaus. „Bei diesem Thema bin ich ganz entspannt und gelassen.“