Hype um Huth - DFB-Comeback schwer vorstellbar

Leicester (dpa) - Das Fußball-Märchen um Robert Huth in den englischen Midlands hat auch Joachim Löw längst vernommen. Die Diskussion um ein mögliches Comeback des Kult-Verteidigers von Leicester City in der deutschen Nationalmannschaft ist aber wohl nur eine Story aktueller Medienkultur.

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Romantische Züge hat der Bundestrainer bei seiner Kaderauswahl noch nie in den Vordergrund gestellt - schon gar nicht im Jahr einer Titelmission. Trotz der langwierigen Muskelverletzung von Abwehrchef Jérôme Boateng wäre eine DFB-Rückkehr Huths nach fast sieben Jahren daher vor allem eines: Eine ganz, ganz große Überraschung.

Für eben solche hat Huth mit Leicester in dieser Saison schon reichlich gesorgt. Wöchentlich wurde das Ende der Erfolgsserie des designierten Absteigers prophezeit. Doch die „Foxes“ aus dem ländlichen Herzen Englands siegen einfach weiter und führen die Premier League souverän an. Angetrieben von Typen wie eben Huth oder den bis zu dieser Saison praktisch unbekannten Offensivkräften Jamie Vardy oder Riyad Mahrez.

Nach zwei Toren beim 3:1 gegen Manchester City wurde vor allem „Gigant“ Huth gefeiert - ein schnoddrig-ehrlicher Kerl, wie sie ihn grundsätzlich mögen in England. Das sollte auch der Bundestrainer tun, meint logischerweise Huths Club-Kollege Christian Fuchs. „Joachim Löw könnte an Robert denken, ja. Er hätte es verdient, ich würde es ihm gönnen“, sagte der frühere Schalker Bundesliga-Profi und Kapitän der österreichischen Nationalmannschaft dem „Kicker“.

Wirklich prominente und vor allem neutrale Fürsprecher Huths gibt es bislang noch nicht - auch das ist ein Indiz der die Unwahrscheinlichkeit eines 20. Länderspiel des gebürtigen Berliners. „Jogi Löw setzt ja auf einen anderen Typ in der Innenverteidigung“, sagte der frühere Bundestrainer Berti Vogts dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“.

Löw selbst sagt zu Personalfragen zwischen den Länderspiel-Terminen wenig bis gar nichts. Von einem aktuellen Hype hat er sich noch nie die Kaderplanung diktieren lassen - weder in der einstigen Dauerdebatte um den Leverkusener Stürmer Stefan Kießling noch bei der sporadisch aufflackernden Diskussion um das Frankfurter Tor-Wunder Alex Meier.

Löw sucht nach systemrelevanten Kräften und da hat Huth wenig zu bieten. Genau deshalb spielte der mittlerweile zum deutschen Profi mit den meisten Premier-League-Einsätzen aufgestiegene Manndecker keine Rolle mehr, als er in den vergangenen Jahren mit deutlich geringerem Teamerfolg und unterbrochen von mancher Verletzung für den FC Middlesbrough und Stoke City kämpfte und grätschte.

Unabhängig vom Genesungsprozess bei Boateng stehen in der DFB-Elf mit Blickrichtung EM andere Nachrücker-Kandidaten vor Huth - gerade solche, die mehr Qualitäten in der Spieleröffnung haben wie Holger Badstuber vom FC Bayern München oder der Leverkusener Jonathan Tah, der im Notfall statt mit der U21 zu Olympia in Rio mit der A-Auswahl zur EM nach Frankreich fahren könnte.

Mats Hummels, Shkodran Mustafi und Antonio Rüdiger sind hinter Boateng die natürlichen Löw-Kandidaten für die zentrale Defensive, die im Gegensatz zu den Außenbahnen das deutlich geringere Problem für den Bundestrainer darstellt. Auch Bayerns neuer Not-Verteidiger Serdar Tasci hat derzeit keine realistischen Comeback-Chancen beim DFB.

Eine Nominierung Huths gegen jede Löw-Logik für das Testländerspiel am Ostersamstag (26. März) ausgerechnet in seiner Heimatstadt Berlin gegen sein gefühltes Heimatland England hätte kaum überbietbare Happy-End-Züge. Sein DFB-Debüt hatte Huth im Herbst 2004 kurz nach dem Amtsantritt von Jürgen Klinsmann als Bundestrainer gegeben - damals als in Deutschland recht unbekannte Verteidiger-Hoffnung des FC Chelsea.

Die im Vorlauf des WM-Sommermärchens 2006 so beliebten „Huuuuth“-Sprechchöre verstummten, denn Löw setzte nach seiner Beförderung zum Chefcoach nicht mehr auf den schon in Jugendjahren nach England ausgewanderten Verteidiger. Aber: Schon einmal holte er Huth zumindest kurz zurück. Für die Testspiele nach dem Saisonende 2009 gegen China (1:1) und die Vereinigten Arabischen Emirate (7:2).