Inters Trainerschreck Moratti schlägt wieder zu
Mailand (dpa) - An einen Club in tiefer Krise erinnert der Internetauftritt von Inter Mailand auf den ersten Blick nicht. Jubelnde Spieler in schwarz-blau, auf Siegerfotos mit Medaillen um den Hals: So präsentierte sich der Verein auch wenige Stunden nach dem neuen Tiefpunkt einer Pleitensaison.
Clubboss Massimo Moratti hatte am Montagabend Coach Claudio Ranieri rausgeworfen. Nach dem Aus in der Champions League war die jüngste Liga-Niederlage gegen Erzrivale Juventus Turin und der Absturz auf Tabellenplatz acht zu viel. Für Schadenbegrenzung soll nun derjenige sorgen, dem Inter schon die Feierfotos auf der Homepage verdankt.
Jungcoach Andrea Stramaccioni soll den 18-maligen italienischen Fußball-Meister in den letzten neun Spielen der Serie A zumindest in die Europa-League-Plätze führen. Zur Erinnerung: Vor knapp zwei Jahren hatte Inter gegen den FC Bayern noch die Champions League gewonnen. „Von ganzem Herzen Hals und Beinbruch“, wünschte der Verein dem 36-Jährigen vor dessen offizieller Vorstellung am Dienstag.
Im Gegensatz zur Profi-Abteilung von Inter hat Stramaccioni schon einen großen Erfolg in dieser Spielzeit vorzuweisen. Mit der U19 gewann er am Sonntag den Europacup für Nachwuchskicker - daher auch die Siegerfotos auf der Inter-Website. „Hier kommt der Mou der Jungen“, titelte die „Gazzetta dello Sport“ in Anspielung auf Erfolgscoach José Mourinho, dem man in Mailand heute noch nachweint.
In diesem Satz ist aber das ganze Inter-Dilemma zusammengefasst: Zum einen muss sich jeder Trainer zwangläufig mit Vorgänger Mourinho messen - und wird angesichts dessen Triples 2010 aus Meisterschaft, Pokal und Champions League zwangläufig scheitern. Andererseits plant der Club seit längerem einen Umbruch, um sich für die Zukunft zu rüsten. Momentan heißen die Säulen des Teams noch Javier Zanetti und Esteban Cambiasso. Die Argentinier sind zusammen 69 Jahre alt.
Vereinseigentümer Moratti macht es seinen Trainern nicht leicht. Der erste Mourinho-Nachfolger Rafael Benitez hatte bereits versucht, dem Team ein neues Gesicht zu geben - nach einem halben Jahr senkte Moratti den Daumen. Und damit begann das Übel: Es folgte Leonardo, der es auch nicht länger als sechs Monate aushielt. Gian Piero Gasperini musste nach knapp vier Monaten gehen, Ranieri nach sechs. Irgendetwas passte Moratti nie, meist waren es die fehlenden Siege.
Trainerverschleißer Moratti ist also bei Nummer 18 angekommen. Seit seiner Machtübernahme 1995 hat er 17 Coaches zu Inter geholt. Die Kandidatenliste für die nächste Saison ist wieder einmal lang: Als Favoriten werden der frühere argentinische Auswahltrainer Marcelo Bielsa, der jüngst in Chelsea gefeuerte André Villas-Boas und sogar Cesare Prandelli und Laurent Blanc gehandelt.
Und Stramaccioni? Der soll zum Saisonende wieder den Stuhl räumen. Auf den Titelseiten der italienischen Sportzeitungen war er am Dienstag zu sehen, wie ihn seine U19-Schützlinge nach dem Sieg im Europacup überschwänglich in die Höhe werfen. Von Erfolgen dieser Art ist die Profi-Mannschaft von Inter Mailand derzeit weit entfernt.