Katars Expansion nach Belgien weckt Zweifel
Eupen (dpa) - In Europa herrscht die Krise, Katars Kauflust ist aber ungebremst. Nach Fußball-Clubs in Frankreich und Spanien hat das Emirat nun einen Verein in der belgischen Provinz annektiert.
Im Gegensatz zum symbolträchtigen Engagement bei Paris Saint-Germain erschließt sich die Absicht hinter dem nahezu unbemerkten Einstieg beim Zweitligist KAS Eupen erst auf den zweiten Blick. Auch die 18 000 Einwohner der Kleinstadt an der deutschen Grenze stutzten, als der Wüstenstaat vergangenen Sommer in ihren bankrotten Verein investierte. „Weil die Strukturen hier ideal sind, um das Projekt "Football-Dreams" zu realisieren“, erklärt Christoph Henkel.
Der ehemalige Leiter des Nachwuchsleistungszentrums des 1. FC Köln wurde im Juli als Sportdirektor installiert und gibt seither im Auftrag von Scheich Hamad bin Chalifa al-Thani die Richtung vor. „Football-Dreams“ ist der Code für ein globales Scouting-Programm, mit dem auf drei Kontinenten die Fußballstars von morgen gesucht werden. „Ideale Bedingungen“ sind neben der Möglichkeit, viele EU-Ausländer einzusetzen, Eupens zentrale Lage in Europa und das Niveau der Spielklasse. Nach Stationen im Senegal und der gigantischen Aspire Sports Academy in Katars Hauptstadt Doha sollen die hochbegabten Nachwuchsspieler aus Afrika, Asien und Südamerika hier an den europäischen Fußball herangeführt werden.
Doch die Akribie, mit der dieser Entwicklungsstützpunkt aufgebaut wurde, weckt ebenso Skepsis, wie das Expansionsstreben des WM-Ausrichters 2022, der sich seit Jahren mit viel Geld und Weitblick einen Platz im Weltfußball erkauft. „Ich weiß, dass wir kritisch beäugt werden. Sobald die Wörter "Katar" und "Fußball" in einem Satz fallen, wird in Europa die Nase gerümpft“, sagt Henkel. „Dabei geht es hier nicht primär um Ergebnisse oder sportlichen Erfolg, sondern um Talentförderung.“
Seit Juli trainiert die erste Generation von Aspire-Absolventen gemeinsam mit belgischen Spielern in der nach eigenen Angaben jüngsten Profimannschaft der Welt. Der 18 Jahre alte Diawandou Diagne ist einer von ihnen. „Sie haben mich unter tausenden von Jungen im Senegal herausgepickt. Ich konnte es gar nicht glauben“, erzählt das Defensivtalent, das in den kommenden zwei Jahren vorsichtig entwickelt werden soll. Als Gegenwert für die investierten Mittel verspricht sich das Scheichtum einen satten Prestigegewinn.
„Wir arbeiten fürs Image, nicht für Geld“, betont Talentscout Joseph Colomer. Der Spanier ist der Mann, der einst Lionel Messi entdeckt und zum FC Barcelona gebracht hat. Dort leitete er die Nachwuchsabteilung - bis ihn 2007 Aspire verpflichtete. Seither fliegt Colomer an 250 Tagen im Jahr auf der Suche nach jungen Talenten für die Katarer um die Welt. Drei Millionen wurden bereits gecastet, weitere werden folgen.
Aufmerksamkeit hat das junge Team, das in Eupen am Ball ist, schon jetzt. Mit seiner technischen Klasse beeindruckt es nicht nur die Gegner der 2. belgischen Division. „Die Bundesliga beobachtet uns sehr gespannt. Bei Heimspielen könnten wir für die Scouts der deutschen Klubs regelmäßig einen eigenen Block auf der Tribüne reservieren“, scherzt Henkel und merkt an, dass Transfererlöse prinzipiell nebensächlich seien.
„Unser Ansatz ist vollständig humanitär. Wir könnten uns gar nicht refinanzieren, allein das Scouting kostet Unsummen. Katar will den Kindern einfach eine Chance geben. Dass uns das niemand glaubt, wissen wir.“ Tatsächlich bleiben Zweifel, dass nicht mehr hinter dem Projekt steckt als die Verantwortlichen glauben machen wollen. Schließlich will sich Katar 2018 für die WM in Russland qualifizieren. Da die Golfnation allerdings nur so viele Staatsbürger wie Bielefeld Einwohner hat, dürfte es schwer werden, eine schlagkräftige Nationalmannschaft aufzustellen, ohne fremde Talente einzubürgern.
In Eupen wird deshalb vergeblich dagegen angeredet, in Wahrheit ein Rekrutierungsreservoir zu sein. „Das ist keine Zielsetzung. Die meisten Spieler werden bereits in den U-Mannschaften ihres Heimatlandes eingesetzt“, beteuert Henkel. Da aber erst ein Einsatz in einem A-Pflichtländerspiel einen Nationenwechsel unmöglich macht, ist dieses vermeintliche Argument kein Ausschlusskriterium. Die Mitspieler von Diawandou jedenfalls lächeln nur verlegen, als sie darauf angesprochen werden, ob sie sich vorstellen können, einmal für Katar zu spielen. „Nein“ sagen sie nicht.