Konkursverwalter sind Spaniens neue Fußballbosse
Madrid (dpa) - Sie kennen sich aus mit Bilanzen, Paragrafen und Steuergesetzen. Vom Fußball verstehen sie weniger, und doch haben sie bei zahlreichen spanischen Clubs das Kommando übernommen.
Rechtsanwälte, Betriebswirte und Finanzinspekteure bestimmen die Geschicke von Profi-Clubs wie Betis Sevilla, Deportivo La Coruña oder Rayo Vallecano. Sie wurden auf Geheiß der Gerichte als Konkursverwalter eingesetzt, um die Vereine vor dem drohenden Bankrott zu bewahren.
Die wirtschaftliche Lage der Profi-Liga im Land des Welt- und Europameisters bietet ein verheerendes Bild. Die Clubs haben eine Schuldenlast von schätzungsweise 3,6 Milliarden Euro angehäuft. Fast die Hälfte der 42 Vereine in der 1. und 2. Liga mussten Konkursverfahren einleiten, weil sie ihren finanziellen Verpflichtungen nicht nachkommen konnten und von der Pleite bedroht waren. In der Gegend von Valencia muss die Regionalregierung für vier Profi-Clubs in der Region bürgen.
Baulöwen und zwielichtige Geschäftsleute hatten zahlreiche spanische Clubs mit überzogenen Ausgaben für Transferzahlungen, Kommissionen oder Spielergehälter an den Rand des Ruins gebracht. Bei Hércules Alicante hatte der Clubchef, der in einen Korruptionsskandal verwickelte Bauunternehmer Enrique Ortiz, für Millionensummen Stars wie David Trézéguet oder Nelson Valdez verpflichtet. Als die Schulden überhandnahmen und der Club abstieg, wurde Alfonso García Cortés als Konkursverwalter eingesetzt.
Der Anwalt hatte in verschiedenen Wirtschaftszweigen Dutzende von Konkursen abgewickelt, aber im Fußball konnte er, wie es heißt, einen rechten Verteidiger nicht von einem Rechtsaußen unterscheiden. Er schildert die Lage, die der vorfand: „Die Bankkonten waren gesperrt, die Spielergehälter der Vorsaison nicht bezahlt“, berichtete der Jurist der Zeitung „El País“. „Zahlungen an die Sozialversicherung, an das Finanzamt und an Lieferanten standen aus. Die Rechnungen für Strom und Wasser waren seit vier Monaten nicht bezahlt worden.“
Die Konkursverwalter sorgen in einem ersten Schritt dafür, dass die laufenden Kosten drastisch gesenkt werden: Teure Spieler werden verkauft, die Gehälter gekürzt, kostspielige Neuverpflichtungen unterbleiben. In einem zweiten Schnitt wird mit den Gläubigern - wie den Spielern, mit anderen Vereinen oder Unternehmen - über einen Verzicht auf einen Teil der finanziellen Ansprüche verhandelt.
Die Finanzämter räumen den Clubs Zahlungsaufschübe ein, aber sie weigern sich mittlerweile, ihnen Schulden zu erlassen. Sie hatten der Misswirtschaft im spanischen Fußball lange Zeit tatenlos zugesehen. „Die Finanzämter hatten bei den Clubs nicht die gleichen Regeln angewandt wie bei privaten Firmen“, sagte der Konkursverwalter von Betis Sevilla, José Antonio Bosch, laut „El País“. Die EU-Kommission untersucht, ob die Steuerschulden der spanischen Profi-Clubs eine Wettbewerbsverzerrung bedeuten.
Die Konkursverfahren bei mehreren Clubs beweisen, dass der Profi-Fußball in Spanien - solange er verantwortungsbewusst gemanagt wird - durchaus ein profitables Geschäft sein kann, auch in Zeiten der Wirtschaftskrise. Vereine wie Rayo Vallecano oder UD Levante erzielen wieder Gewinne. Trotz der horrenden Schulden musste in den Konkursverfahren der vergangenen Jahre kein Verein aufgelöst werden. Dies hat einen einfachen Grund: Die von der Pleite bedrohten Clubs verfügen in der Regel kaum über Vermögen, das bei einer Auflösung verteilt werden könnte. Die Gläubiger ziehen es daher vor, auf einen Teil ihrer Ansprüche zu verzichten, als gar nichts zu erhalten.