Nationenliga: Geldmaschine oder Platinis Wahl-Geschenk?
Berlin (dpa) - Nach dem Votum für eine Nationenliga schlägt der Europäischen Fußball-Union (UEFA) weiter Kritik wegen ihrer Expansionsgier entgegen.
„Es werden immer mehr Wettbewerbe kreiert, um immer mehr Geld zu generieren und zu vermarkten“, sagte Geschäftsführer Andreas Rettig von der Deutschen Fußball Liga (DFL) und bezeichnete die Einführung der Mini-EM als „keine gute Entscheidung“. Quer durch die Bundesliga ging eine Welle der Empörung. Und das britische Boulevardblatt „Daily Mail“ beschrieb UEFA-Boss Michel Platini wegen seiner vielen Reformprojekte sogar deftig als „unaufhaltsamen Idioten“.
Platini kann die Aufregung über den zusätzlichen Wettbewerb für Nationalmannschaften, der erstmals nach der WM 2018 ausgetragen werden soll, nicht verstehen. „Die Freundschaftsspiele interessieren doch wirklich niemanden, weder die Fans noch die Spieler noch die Medien oder die Nationalverbände“, erklärte der Franzose.
Damit aber spricht Platini wohl vor allem für die kleineren und mittleren Verbände, die sich von der Nationenliga die größten Gewinne versprechen. Garantierte Einnahmen durch eine Zentralvermarktung im Stile der Champions League, mehr TV-Präsenz und die Teilnahme an einem großen UEFA-Wettbewerb mit der Chance auf ein Ticket für die EM - das klingt für die Fußball-Zwerge nach einem guten Geschäft.
Beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) dagegen hält sich die Begeisterung in Grenzen. Kein Wunder, denn mit der Vermarktung seiner Freundschaftsspiele hatte der größte Sport-Fachverband der Welt noch nie ein Problem, wie Verbandschef Wolfgang Niersbach nach dem UEFA-Votum anmerkte. Geschätzte acht bis zehn Millionen Euro spülte jedes Heim-Freundschaftsspiel dem DFB durch TV-Geld, Werbung und Ticket-Einnahmen in die Kassen. Sinkt jetzt durch den UEFA-Beschluss die Zahl der frei vermarktbaren Länderspiele auf ein Minimum, hat dies auch Einfluss auf die DFB-Finanzen.
Während der niederländische Verband KNVB bereits Ausgleichszahlungen von der UEFA einforderte, dürfte der starke DFB auf Sonderrechte pochen, zum Beispiel bei der Bandenwerbung. Dort wird der deutsche Verband weiter selbst seine Top-Sponsoren präsentieren und dafür kassieren wollen. Die Ticket-Einnahmen dürften bei zu erwartenden Duellen mit Spitzen-Nationen wie Spanien, Italien, Frankreich oder England ohnehin weiter sprudeln.
Bleibt das TV-Geld. Bis 2016 läuft noch der Fünfjahresvertrag des DFB mit ARD und ZDF, der mit ungefähr 175 Millionen Euro dotiert ist. Die Nationenliga werde Einfluss auf die Verhandlungen über einen neuen Kontrakt haben, weil der DFB „im Vergleich zu der vorherigen Vertragsperiode über ein reduziertes Rechte-Portfolio verfügt“, erklärte ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky der Nachrichtenagentur dpa. ZDF-Sportchef Dieter Gruschwitz hatte zuvor bereits Gespräche mit der ARD über das weitere Vorgehen angekündigt.
Für die Qualifikationsspiele zur EM 2016 und WM 2018 hatte die UEFA ohnehin bereits RTL den Zuschlag erteilt. Auch für die Nationenliga dürfte das Feld für interessierte Fernsehsender weit offen sein, die UEFA ist eher an hohen Erlösen als an alten Partnerschaften interessiert. Dies wiederum könnte am Ende auch dem DFB mehr Einnahmen aus dem Marktpool bescheren.
Mit dem Faktor Geld haben Platini und Co. noch immer punkten können. Gerade jetzt braucht Platini jeden Verbündeten, gilt er doch als designierter Herausforderer von FIFA-Präsident Joseph Blatter im Kampf um den Weltfußball-Thron. Zugleich vermuten Experten, Platini könnte auf dem Umweg der Nationenliga eine seiner umstrittensten Reformen rückgängig machen: die Aufblähung der EM von 16 auf 24 Teilnehmer und die dadurch sportlich nahezu wertlose Qualifikation.
Auch dieses Format war einst ein Geschenk für die kleinen Nationen. Doch ein EM-Turnier mit 24 Mannschaften ist ein organisatorischer Alptraum. Auch deshalb gibt es 2020 eine EM mit 13 Gastgebern. Mit dem Zugeständnis einer Nationenliga hätte Platini ein gutes Argument für seine Wahlhelfer aus den kleinen UEFA-Ländern, zum alten Erfolgsmodus der Europameisterschaft zurückzukehren.