Neues Barça: Jubel um Neymar, Sorgen um Nachwuchs
Madrid (dpa) - Neymar war zu Tränen gerührt: 60 000 Fans des FC Barcelona waren ins Camp-Nou-Stadion geströmt, nur um dem brasilianischen Fußball-Wunderkind zuzujubeln.
„Ich musste mich zusammenreißen, um nicht loszuheulen“, berichtete der 21-Jährige sichtlich bewegt nach seiner Vorstellung als neuer Profi des spanischen Meisters. „Ich glaube nicht, dass ich die Ablösesumme von 57 Millionen Euro wert bin“, übte der Brasilianer sich in Bescheidenheit.
Neymar ist nach dem Schweden Zlatan Ibrahimovic, der die Katalanen 2009 unterm Strich mehr als 65 Millionen Euro gekostet hatte, der zweitteuerste Spieler der Vereinsgeschichte. Er habe keineswegs vor, Superstar Lionel Messi die führende Position im Team streitig zu machen. „Es geht mir nicht darum, der beste Spieler der Welt zu sein“, verkündete er. „Der Beste ist Messi. Ich will ihn unterstützen, damit er weiterhin der beste Fußballer der Welt bleibt.“
Der Brasilianer weiß, was bei den Barça-Fans ankommt. Er wirbt für mehr als ein Dutzend Firmen und kennt sich im Marketing aus. „Bona tarda a tothom“ (Guten Abend allerseits), begrüßte er das Publikum auf Katalanisch und ergänzte später: „Ich spreche besser Katalanisch als Spanisch.“ Die Barça-Anhänger feierten Neymar wie einen Popstar. Sein Empfang erinnerte ein wenig an die Zeit der „Galaktischen“, als Real Madrid Weltstars wie Zinédine Zidane oder David Beckham unter Vertrag nahm.
Mit der Verpflichtung von Neymar brechen beim FC Barcelona neue Zeiten an. Vereinspräsident Sandro Rosell, der zu Beginn seiner Amtszeit im Schatten von Josep Guardiola gestanden hatte, hat nun das Heft in die Hand genommen. Er ging mit Barça auf Distanz zum Erfolgstrainer und vor allem zu dessen Mentor Johan Cruyff.
Der Niederländer, der unter dem Rosell-Vorgänger Joan Laporta im Verein hinter den Kulissen großen Einfluss hatte, ging seinerseits mit der Amtsführung des Clubchefs hart ins Gericht. „Mit der Verpflichtung eines neuen Spielers baut man keine Mannschaft auf“, meinte der frühere Weltklasse-Fußballer und Ex-Barça-Trainer. „Der Vereinsvorstand sollte nicht neue Profis unter Vertrag nehmen, sondern dies Leuten überlassen, die sich im Fußball auskennen.“
Die Euphorie um den Neymar-Coup verdeckt bei den Katalanen eine bedenkliche Entwicklung: Der Nachwuchs aus dem eigenen Verein hat derzeit schlechte Karten. Talente wie Cristian Tello, Martín Montoya, Marc Bartra oder Thiago Alcántara kamen in der abgelaufenen Saison nur sporadisch zum Einsatz, obwohl sie gute Partien geliefert hatten und einige Stammspieler zuletzt ausgelaugt und kraftlos wirkten.
Dabei war der Barça-Nachwuchs bislang der Stolz der Katalanen gewesen, denn er hatte Stars wie Messi, Xavi oder Andrés Iniesta hervorgebracht. Trainer Tito Vilanova zog im Zweifelsfall jedoch etablierte Spieler wie Dani Alves, Pedro oder Alexis Sánchez vor, auch wenn diese von ihrer Bestform entfernt waren. „Tito gab den 'heiligen Kühen' im Kader nach“, bemängelte der Kolumnist Ernest Folch. „Er war stark gegenüber den Schwachen, aber schwach gegenüber den Starken.“