Premier League: Retten die Milliarden die Fußball-Seele?
London (dpa) - Kaum war die Rekordsumme in der Welt, musste Premier-League-Chef Richard Scudamore sie schon verteidigen. Die umgerechnet knapp sieben Milliarden Euro für die TV-Rechte seien notwendig, damit die englischen Clubs eine Chance hätten gegen Real Madrid oder den FC Barcelona.
Schließlich sei der Fußball wichtig fürs Image das Landes: „Die Premier League, die BBC, die Queen - das sind Dinge, die Leute an Großbritannien mögen.“ Doch die astronomischen Geldmengen, die Sky und BT auf den Tisch legen, bringen die Konflikte im häufig verklärten englischen Fußball zutage. Ex-Nationalstürmer Gary Lineker meldete sich umgehend über Twitter: „Das Spiel wird überschwemmt mit Geld. Senkt die Ticketpreise & macht es für echte Fans erschwinglich, dabei zu sein.“
Günstigere Tickets gehören zu den dringendsten Forderungen englischer Fans, die für die billigste Dauerkarte bei Arsenal umgerechnet mehr als 1300 Euro hinlegen müssen. Für einzelne Spiele werden schnell 80 oder auch 100 Euro fällig. Zwar liegt die Auslastung der Stadien mit mehr als 95 Prozent auf Rekordniveau, doch untere Einkommensschichten oder Jugendliche sind vom Oberhaus des englischen Volkssports so gut wie ausgeschlossen.
Angesichts der hohen Nachfrage glaubt aber kaum jemand, dass Everton, Liverpool und Co. kollektiv die Preise senken. „Wenn das Geld nur für Transfers, Gehälter und Beratergebühren ausgegeben wird, und nicht die Kosten derer senkt, die zu Spielen gehen, wird ganz klar eine Gelegenheit verpasst“, sagt Tim Rolls der dem größten Chelsea-Fanclub vorsitzt, dem „Mirror“.
„Je mehr Geld man den Clubs gibt, desto mehr geben sie für Spieler aus“, glaubt auch der Tycoon und ehemalige Tottenham-Hotspur-Chef Alan Sugar. Er muss es wissen, schließlich holte er 1994 den Topstürmer Jürgen Klinsmann auf die Insel. Sugar befürchtet schlimme Folgen des TV-Deals für die Nationalmannschaft: Teure Einkäufe statt eigene Nachwuchsarbeit gelten als Hauptgrund für Englands maues Abschneiden in internationalen Turnieren, das dem Aus bei der WM vergangenen Sommer einen neuen Tiefpunkt erreicht hat.
Am Finanziellen lag es jedenfalls nicht. Schon jetzt sind alle 20 Premier-League-Clubs unter den reichsten 40 Fußballvereinen weltweit, wie die Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Deloitte ermittelt hat. Scheichs und Oligarchen wie Roman Abramowitsch (Chelsea) oder Mansour bin Zayed Al Nahyan (Manchester City) pumpen Unsummen in ihre Clubs. Für die Jahre 2013-2016 waren bereits 3,018 Milliarden Pfund an TV-Geldern ausgemacht worden - auch das war bereits eine Rekordsumme.
Fußball, BBC und die Queen gehören zu den wichtigsten kulturellen Exportgütern der Briten, da hat Ligachef Richard Scudamore recht. Trotzdem sind gerade deutsche Touristen oft enttäuscht, wenn sie sich ein Erstligaspiel auf der Insel anschauen. Stehen verboten, Bier auch, die Gesänge längst nicht so laut und wild wie erhofft. Echten Fußball, sagen viele Engländer, gibt es längst nur noch in den unteren Ligen. Daran dürften zusätzliche Milliarden nichts ändern.