Rios „Anti-Cup“: Protest-Fußball beim Volkspokal
Rio de Janeiro (dpa) - Schon vor Anpfiff des Confed Cups in Brasília stand in Rio ein Finalsieger fest: „Criciuma Salgueiro“. Das Mädchenteam gewann den „Copa Popular 2013“. Gespielt wurde im Hinterhof.
Es war Fußball aus Protest gegen Confed Cup, WM und Olympische Spiele.
„Wir sind die Champions“, rufen die Mädchen um Mannschaftskapitänin Aline França frenetisch. Der strömende Regen macht ihnen nichts aus. Sie recken stolz die kleine Plastik-Trophäe des „Volkspokals“ in die Höhe. Ihr Team „Criciuma Salgueiro“ hat gewonnen und „Criciuma Providencia“ mit 3:0 besiegt. Auf dem kleinen Platz fühlen sie sich als Stars, aber nach dem Spiel fahren die meisten von ihnen nach Hause in Armenviertel, von denen einige durch die Sport-Großereignisse vor der Räumung stehen.
Das Alternativ-Turnier in Rios Hafenstadtteil Gamboa wurde vom „Volkskomitee Rio“ organisiert. Es ist eins von zwölf Komitees des nationalen Netzwerkes ANCOP, das die Milliarden-Investitionen in Confed Cup, WM und Olympische Spiele und die damit verbundenen Zwangsumsiedlungen anprangert.
Das kleine Turnier begann Stunden vor Anpfiff der Confed-Cup-Eröffnungspartie in Brasília. Kein Glamour und keine Gala-Show. Der Kunstrasen auf dem Platz ist löchrig und verschlissen. Über dem Platz hängen grüne Netze, die den Ball bei zu hohen Schüssen abfangen. Die Partien dauern je zehn Minuten. Drei Frauen- und zehn Männerteams treten an.
„Wir sind nicht gegen die Copa (WM) und die Olympischen Spiele. Sie könnten gut sein fürs Land, aber leider ist es nicht so“, sagt Paula Paiva vom Volkskomitee. „Die Menschen werden aus ihren Wohnorten vertrieben. Sie leben dort oft schon seit Jahrzehnten und werden noch nicht mal richtig informiert.“
Die 24-Jährige verweist auf die geplante Räumung von Vila Autódromo in Barra da Tijuca im Westen Rios, wo das Olympische Dorf für die Sommerspiele 2016 entsteht. Dort leben noch 500 Familien, viele seit 30 Jahren. Die meisten wollen bleiben und nicht umziehen.
„Wir erleben im Namen dieser sportlichen Mega-Events eine Verletzung der Menschenrechte“, heißt es in der Charta der Komitees. Und einen Tag vor Beginn des Confed Cups kam Zuspruch von der UN-Sonderberichterstatterin für angemessenes Wohnen, Raquel Rolnik: „In verschiedenen Fällen wurden Anwohner nicht befragt und an Entscheidungen nicht beteiligt, die eine ernsthafte Auswirkung auf ihren Lebensstandard haben.“
Allein in Rio wurden nach Angaben der Komitees 11 000 Menschen umgesiedelt. „Weitere 29 000 sind von Umsiedlung bedroht mit dem falschen Argument, dass dies notwendig sei für die WM und die Olympischen Spielen“, rechnet Mario Campagnani vor, der zu Organisatoren des Widerstandes in Rio gehört.
Seine Mitstreiterin Paula berichtet von rüdem Auftreten der Behörden: „Die Stadt verhandelt mit einzelnen Bewohnern und fürchtet Gespräche mit der ganzen Gemeinschaft. Viele erfahren zudem erst aus der Zeitung, dass ihre Häuser geräumt werden sollen. Desinformation gehört zur Strategie.“
Der ehrenamtliche „Stadionsprecher“ in Gamboa, Vitor Mariano (33), warnt: „Wenn man die Menschen aus den Häusern vertreibt, dann nimmt man ihnen die Identität.“ Die Volkskomitees verstehen sich als „Stimme des Volkes“ und wollen auf Widersprüche in Brasilien hinweisen, in dem es trotz des wirtschaftlichen Aufschwungs enorme Einkommensunterschiede gibt.
In Rio hat das „Comitê Popular“ die aus Brasiliens Märchenwelt bekannte Figur des „Saci Pererê“ zum Gegen-Maskottchen gewählt. Das kleine einbeinige, pfeiferauchende Männchen mit roter Zipfelmütze kann sich unsichtbar machen, treibt viel Schabernack, erfüllt aber auch Wünsche. Die Komiteemitglieder tragen deshalb rote Zipfelmützen. Sie haben nur einen Wunsch: Dass die WM und die Olympischen Spielen dem Volk zu Gute kommen.