Russischer Rassismus: Fußball-Chefs verharmlosen

Moskau (dpa) - Keine halbe Stunde rollte der Ball in der russischen Premier Liga, da zeigte sich der Fußball im nächsten WM-Gastgeberland schon wieder von seiner schändlichen Seite.

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Schlimmer als die „Affen“-Rufe gegen Emmanuel Frimpong im Moskauer Spartak-Stadion waren aber die Reaktionen der Fußball-Bosse auf die rassistische Beleidigung des Ghanaers.

„Das Spiel wurde im Fernsehen übertragen. Alle haben gesehen, was passiert ist. Sie haben jemanden aus dem Spiel genommen, und dann kann er erzählen, was er will“, sagte Witali Mutko. Soll heißen: Russlands Sportminister, zugleich Chef des russischen WM-Komitees, Mitglied im FIFA-Exekutivkomitee und Verbündeter von FIFA-Chef Joseph Blatter, unterstellt Frimpong mehr oder weniger deutlich, gelogen zu haben.

Frimpong, beim FC Arsenal in England einst Kollege von Lukas Podolski und heute Mittelfeldmann des FK Ufa, hatte in der Saisoneröffnungspartie den Spartak-Fans den Mittelfinger gezeigt und vom Schiedsrichter dafür die Rote Karte gesehen. Sein Vergehen räumte Frimpong ein, entschuldigte sich dafür, erklärte bei Twitter aber die Ursache: „Rassistisch beleidigt für das Spiel, das ich liebe. phantastisch, ein Unentschieden gegen Spartak, stolz auf das Team. ich sitze eine Sperre dafür ab, beleidigt worden zu sein.“

Nicht einmal auf die Unterstützung seines eigenen Clubs konnte der 23-Jährige zählen. „Was Frimpong gemacht hat, war falsch. Manchmal muss man die Tränen zurückhalten und einfach weitermachen“, sagte Ufa-Direktor Schamil Gasisow. Er gab damit eine Blaupause der gängigen Haltung in der Führungscrew des russischen Fußballs. Diese Mentalität - so berichten Insider - gehe bis ganz hinauf in den Kreml zu Präsident Wladimir Putin. Da es in Russland keinen Rassismus geben dürfe, gibt es ihn eben auch nicht.

Russische Kommentatoren kritisierten nach den Frimpong-Vorfall, die höchsten Funktionäre des Landes würden auch noch den Spielern vorhalten, sie selbst hätten die Fans provoziert. Bei solchen Reaktionen habe der Westen noch mehr Gründe, die WM in Russland als „schlechte Idee“ zu brandmarken, meinte das Portal sport-express.ru.

Der Vorfall zum Saisonauftakt kommt zur Unzeit. Am kommenden Samstag will sich der wegen Ukraine-Krise und Korruptionsverdächtigungen ohnehin kritisch beäugte WM-Ausrichter 2018 in St. Petersburg der Fußballwelt bei der Auslosung der Qualifikationsgruppen als strahlender Gastgeber präsentieren. „Ich denke nicht, dass es sich lohnt, diese Episode zu einem großen Skandal aufzubauschen“, sagte Mutko und sprach von einem Einzelfall.

Mehr als 200 Einzelfälle hat die von der UEFA anerkannte Anti-Rassismus-Organisation FARE in Russland in den vergangenen Spielzeiten gezählt. Zu den beleidigten Spielern gehörten unter anderen der früherere Berliner Bundesliga-Profi Christopher Samba und die Brasilianer Hulk und Roberto Carlos. Yaya Touré von Manchester City drohte mit WM-Boykott, nachdem er im Champions-League-Spiel bei ZSKA Moskau beleidigt worden war. Weniger als eine Woche vor der WM-Auslosung müsse der russische Verband nun „endlich das Problem bekämpfen“, forderte FARE nach dem Frimpong-Vorfall.

Die FIFA und das WM-Organisationskomitee verurteilten das Geschehen. Der Weltverband forderte auch eine Erklärung aus Moskau. „Es gibt keinen Platz für Rassismus oder irgendeine Form von Diskriminierung im Fußball“, hieß es in einer Stellungnahme. Dies sei im Artikel 3 der FIFA-Statuten verankert - die gerade Mutko kennen sollte. Er reichte die Zuständigkeit an den russischen Verband RFU weiter.

Der hohe RFU-Funktionär Anatoli Worobjow verglich den Rassismus mit einem Virus. Er sei „ekelhaft“ und schlimmer als Ebola, ein Heilmittel gebe es nicht. Die RFU befindet sich zur Zeit in einem Machtvakuum. Der 88-jährige Nikita Simonjan - ein ehemaliger Spartak-Spieler - ist bis September Interimspräsident. Anschließend könnte Mutko auch dieses Amt übernehmen, obwohl die FIFA-Statuten eine staatliche Einmischung in die Angelegenheiten des nationalen Fußballverbandes untersagen.

Formal hat die FIFA, die für die WM-Qualifikationsspiele kürzlich ein Anti-Rassismus-Monitoring beschlossen hat, keine Einflussmöglichkeit auf die Ereignisse im Moskauer WM-Stadion. Aber der Weltverband könnte mehr Druck auf seinen WM-Ausrichter ausüben, meinen die Experten von FARE - zumal ja beste Kontakte nach Moskau bestehen.

Für rassistische Vorfälle bei Partien in ihrem Einflussbereich - also Länder- oder Europapokalspiele - haben FIFA und UEFA ein Dreistufen-Modell implementiert. Der Schiedsrichter kann Partien kurzfristig unterbrechen, eine längere Pause anordnen und schließlich das Spiel vorzeitig beenden. Frimpong ist sich sicher, dass der neben ihm postierte Linienrichter die „Affen“-Rufe gehört haben muss.