Kein Confed Cup Sanches' Karriereknick: Kaum Perspektive bei Bayern
Kasan (dpa) - Portugals Mannschaftsfoto bei diesem Confederations Cup sieht beinahe genauso aus wie immer. Ganz oben in der Mitte steht Cristiano Ronaldo. Um ihn herum sind lauter bekannte Gesichter zu sehen, die dort schon vor einem Jahr bei dem überraschenden EM-Triumph in Frankreich posierten.
Nur einer fehlt auf diesem Foto, der bei der Euro 2016 noch eine wichtige Rolle spielte, in diesen Wochen aber nicht einmal mehr mit nach Russland durfte: Renato Sanches vom deutschen Meister FC Bayern München. Während seine Portugiesen am Mittwochabend im Confed-Cup-Halbfinale gegen Chile spielen (20.00 Uhr), ist er bereits im Urlaub. In jüngster Zeit ist der 19-Jährige in seiner Karriere beinahe genauso abrupt wieder ausgebremst worden, wie er zuvor durchgestartet war.
Juni 2016, Europameisterschaft in Frankreich: Renato Sanches wird im Achtelfinale gegen Kroatien kurz nach der Halbzeitpause eingewechselt, und von diesem Moment an ändert sich Portugals Spiel. Die Vorrunde hatten Ronaldo und Co. nur mit Mühe überstanden, am Ende gewinnen sie das Turnier. Der erst 18 Jahre alte Sanches wird zu „Europas bestem Nachwuchsspieler“ gekürt, und er konnte sich schon vor der EM aussuchen, wohin er danach geht. Manchester United? FC Arsenal? Real Madrid? Renato Sanches entscheidet sich für den FC Bayern, der rund 35 Millionen Euro für ihn an Benfica Lissabon zahlt.
Juni 2017, Confederations Cup in Russland: Portugals EM-Held wird für dieses Turnier gar nicht erst nominiert, sondern von Nationaltrainer Fernando Santos zur U21-EM in Polen delegiert. Dort fällt Sanches durch eine schöne Torvorlage im ersten Spiel gegen Serbien auf, muss mit seiner Mannschaft aber schon nach der Vorrunde wieder nach Hause fliegen. Auch seine Debütsaison beim FC Bayern war eine Enttäuschung. Nach nur sechs Bundesliga-Einsätzen in der Startelf heißt es jetzt in München hinter vorgehaltener Hand: Wenn er sich ohne großen Verlust verkaufen lässt, kann der Mann mit den Rastalocken wieder gehen.
Am Wochenende hat sich Renato Sanches dazu persönlich geäußert. „Die Bayern sind ein großer Club. Im Prinzip möchte ich bleiben und dort mein Bestes geben“, sagte er nach einem Bericht der portugiesischen Sportzeitung „Record“. Er sagte aber auch: „Wenn ich nicht bleiben kann, werde ich mich nicht entmutigen lassen.“
Für den jungen Europameister spricht, dass auch er von dem einflussreichen und bestens vernetzten Ronaldo-Agenten Jorge Mendes beraten wird und es allein deshalb noch immer einen Markt für ihn gibt. FC Barcelona, Juventus Turin, sogar Real Madrid: All diese Clubs sollen sich laut besonders Mendes-nahen Medien in Spanien längst wieder mit dem Namen Renato Sanches beschäftigt haben.
Auch seine Degradierung zur Junioren-EM nahm er professionell auf. „Ich bin ein U21-Spieler. Desillusioniert wäre ich nur gewesen, wenn ich auch dafür nicht nominiert worden wäre“, sagte er. Portugals U21-Trainer Rui Jorge erzählte ganz offen: „Ich wollte vor der EM von ihm wissen, ob es für ihn ein Problem sei, sich dafür zu motivieren. Aber ich habe sofort erkannt: Er ist mit Leib und Seele dabei.“
Bleibt die Frage, warum es beim FC Bayern bislang noch nicht geklappt hat mit Renato Sanches. Vielleicht ist es genauso, wie der Bayern-Trainer Carlo Ancelotti erst im Mai erklärte: „Es ist für junge Spieler nicht einfach, es ist eine andere Kultur, ein anderer Spielstil. Wir müssen mit ihm Geduld haben.“
Vielleicht hat sich „Europas bestem Nachwuchsspieler“ 2016 aber auch den falschen Verein ausgesucht. Sein Draufgängerturm und seine Dynamik waren bei der EM in Frankreich sehr hilfreich, um ein etwas träges, erstarrtes portugiesisches Team wieder aufzufrischen. In München dagegen sind andere Tugenden gefragt: Spielkontrolle, Passsicherheit, taktisches Verständnis. Das sind nicht seine Stärken. Sanches' Ziel ist die WM 2018, da will er unbedingt hin. Und in nur einem Jahr kann viel passieren. Das weiß kaum jemand besser als er.