Spanien feiert „Guru“ Simeone: Atlético ist Meister
Barcelona (dpa) - Lange feiern durften die Spieler von Atlético Madrid ihren ersten Titelgewinn in der Primera División seit 1996 nicht. Trainer Diego Simeone, in Spanien als neuer Fußball-Guru gefeiert, schickte die Profis schnell ins Bett.
Das Sensationsteam will schließlich am 24. Mai gegen Stadtrivale Real auch noch die Königsklasse gewinnen. „Mit diesem Triumph haben wir auch den Sieg in der Champions League eingeleitet“, sagte Ex-Profi und Sportdirektor José Caminero nach dem 1:1 im letzten Saisonspiel beim FC Barcelona, mit dem der Madrider Arbeiterverein die Meisterschaft perfekt machte.
Die Medien feierten den 44-jährigen argentinischen Coach als „Genie“. „Simeone ist Kopf und Herz des neuen Meisters“, schrieb die Sportzeitung „Mundo Deportivo“, während sich Atléticos Ex-Star Paulo Futre in seiner „El Mundo“-Kolumne zu der Behauptung verstieg: „Der „Cholo“ (der Mestize, wie der Coach seit seiner Kindheit gerufen wird) ist der beste Trainer der Welt“.
Nach dem Abpfiff war Simeone im Camp Nou von seinen Schützlingen in die Luft geworfen und sogar von den 98 000 Fans des Gegners mit respektvollem Applaus bedacht worden. Die Spieler lobten die Motivationskünste des Trainers in höchsten Tönen. „In der Halbzeit war er trotz des 0:1-Rückstands seelenruhig, hat uns gesagt: „Glaubt mir, Jungs, das packen wir““, verriet Außenverteidiger Filipe Luis.
Dabei hatte Atlético in der ersten Halbzeit neben dem Ausfall von Stürmerstar Diego Costa (15.) und Spielmacher Arda Turan (23.) auch noch den Rückstand durch Alexis Sánchez (34.) verdauen müssen. Nach der Pause setzten die Gäste alles auf eine Karte und kamen zum Ausgleich durch Diego Godín (48.). Obwohl die offizielle Feier erst für Sonntagabend angekündigt war, versammelten sich Tausende Fans schon Samstagnacht singend und tanzend am Madrider Neptunplatz.
Atlético gewann mit 90 Zählern und drei Punkten Vorsprung vor Barcelona und Real nicht nur den zehnten Titel seiner 111-jährigen Geschichte. Es besiegelte auch das Ende der Barça-Ära und den Weggang von Trainer Gerardo Martino. Die Rot-Weißen, am Samstag ganz in Gelb angetreten, durchbrachen zudem die Phalanx der beiden Topteams. Nach 2003/04, als der FC Valencia den Titel holte, waren nur Real (insgesamt 32 Titel) und Barcelona (22) erfolgreich gewesen.
„Wir haben heute Geschichte geschrieben!“, rief Simeone, nachdem er nach dem Abpfiff zuerst auf die Tribüne geeilt war, um seinen Vater zu umarmen. Den bis dahin letzten Atlético-Titel hatte er noch als Profi miterlebt. Bei einem Saisonetat von 120 Millionen Euro müssen die „Colchoneros“, die Matratzenmacher, im Vergleich zu den reichen Clubs Barcelona (650 Mio) und Real Madrid (580) mit „Peanuts“ auskommen. In den vergangenen Jahren musste „Atleti“ wegen leerer Kassen und Schulden von 150 Millionen Euro Stars wie Fernando Torres, Sergio Agüero oder Radamel Falcao ziehen lassen. „Das ist in diesen Krisenzeiten ein Sieg der kleinen Leute“, sagte daher Filipe Luis.
Das Team um den erst 22-jährigen belgischen Torwart Thibaut Courtois, der auch dank der eisenharten Abwehr um Luis, Godín und Miranda in 20 Ligaspielen seinen Kasten sauber hielt, gibt sich mit dem Erreichten aber längst nicht zufrieden und will die Saison nun in Lissabon mit dem Champions-League-Sieg krönen.
Ob Costa und Turan nach ihren Muskelverletzungen im Estádio da Luz dabei sein werden, ist noch fraglich. Für Fans und Spieler ist aber Simeone der Garant des Erfolgs. Deshalb murrte auch niemand, als der Coach seine Jungs nach dem Rückflug und einem bescheidenen Abendessen mit wenig Sekt in einem Madrider Steakhaus relativ früh ins Bett schickte. Sein Credo („Arbeit, Arbeit, Arbeit“) haben sie alle längst verinnerlicht.