Zelle statt Rang: Ein Gefängnistrakt für WM-Besucher
Porto Alegre (dpa) - Das Zentralgefängnis von Porto Alegre ist auf die Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien vorbereitet. Ein ganzer Trakt steht für randalierende Fans bereit: Die 32 Zellen sind frisch renoviert, neue Duschen montiert und die Matratzen gestapelt.
„Wenn es sein muss, können wir hier 64 Männer unterbringen“, erklärt der Direktor des Untersuchungsgefängnisses Presídio Central, Osvaldo Luis Machado da Silva. Eigentlich soll der renovierte ebenerdige Trakt gehbehinderten brasilianischen Häftlingen den Alltag erleichtern. Doch deren Einzug muss nun bis nach der WM warten. Fünf Spiele werden im südlichsten WM-Stadion Brasiliens, dem „Beira Rio“ in Porto Alegre ausgetragen. Unter anderem spielen dort Frankreich, die Niederlande und Argentinien. Und mit der Nationalmannschaft aus dem Nachbarland kommen die gefürchteten „Barras Bravas“, die argentinischen Ultras. „Bei allen Weltmeisterschaften gibt es Zusammenstöße - warum sollte das in Brasilien anders sein?“, fragt da Silva. Er will deshalb auf das Schlimmste vorbereitet sein.
Acht Quadratmeter sind die Zellen für WM-Besucher groß - Klo, Dusche und Waschbecken inklusive. Die schmalen vergitterten Fenster geben den Blick auf die Trakte der anderen Gefangenen frei. 4501 Männer sind zur Zeit im Presídio Central untergebracht - dabei ist es nur für 1800 Insassen konstruiert, erklärt Dagoberto Albuquerque da Costa, Kommandeur des Gefängnisses. „Unser größtes Problem ist die Überfüllung.“
Im Schnitt müssten sich 38 Männer eine Zelle teilen. „Das ist natürlich nicht möglich“. Also haben die Zellen keine Türen: Tagsüber dürfen sich die Männer im Innenhof bewegen - überwacht von neunzig Hunden und über 300 Wärtern. Nachts breiten sie ihre Matratzen im Flur aus. Vierzig Prozent der Häftlinge müssten längst in anderen Gefängnissen untergebracht sein. Doch obwohl sie verurteilt sind, bleiben sie im Untersuchungsgefängnis: „In den anderen Haftanstalten ist schlichtweg kein Platz“, erklärt da Costa.
Um das Konfliktpotenzial so gering wie möglich zu halten, sind die Häftlinge im Presídio Central aufgeteilt: „Es gibt Trakte für Homo- und Transsexuelle, Drogenabhängige, für verurteilte Sexualstraftäter, Mörder, Ex-Polizisten und so weiter“, erklärt Direktor da Silva. Pro Stockwerk eine Gruppe. Wenn die Ehefrauen zu Besuch kommen, müssen die anderen Häftlinge das Gebäude verlassen. Auf einer Karte im Büro von Major Albuquerque sind die Trakte, die Anzahl der dort untergebrachten Häftlinge notiert. Daneben steht der Name der Bande, die im jeweiligen Stockwerk das Sagen hat.
Im Juni kommt der neue Trakt für die WM-Besucher hinzu. Die Fußballfans bei den anderen Häftlingen unterzubringen, ist für den Direktor unvorstellbar. „Wir würden ein Risiko eingehen. Ein eigener Trakt erleichtert uns die Arbeit - und dient ihrer eigenen Sicherheit“, sagt da Silva. Sprachliche Barrieren drohen indes nicht, versichert er. Einige Wärter sprechen Deutsch, Englisch, Spanisch oder Italienisch. „Aber wir hoffen natürlich, dass es nicht soweit kommt.“