Zwanziger attackiert die Mächtigen des Fußballs
Hamburg (dpa) - Theo gegen den Rest der Welt: In überraschender Deutlichkeit hat der frühere DFB-Präsident Theo Zwanziger zu einem Rundumschlag gegen die Mächtigen des Fußballs angesetzt.
In der „Sport Bild“ kritisierte der 68-Jährige die Vergabe der WM 2022 an Katar als „eklatante Fehlentscheidung“. Die nun geplante Verlegung des Turniers in den Winter gefährde außerdem die Einheit des deutschen Fußballs, warnte Zwanziger, der „Millionen Fans und Amateurfußballer“ von einer solchen Entscheidung betroffen sähe.
Im Oktober will die Exekutive des Weltverbandes FIFA, in der auch Zwanziger sitzt, über eine WM im Winter abstimmen. Zwanziger hat seine ablehnende Haltung bereits angekündigt: „Die WM-Verschiebung in den Winter greift tief in die Strukturen der europäischen Landesverbände, aber auch in den Amateurfußball in Deutschland ein. Eine Spielplanänderung betrifft ja nicht nur die Bundesliga, sondern setzt sich durch die Verzahnung mit Auf- und Abstieg nach ganz unten fort. Die Spielpyramide ist in Gefahr und damit die Einheit des deutschen Fußballs.“
FIFA-Präsident Joseph Blatter hatte in der Vorwoche angekündigt, wegen der Sommerhitze müsse die WM im Winter gespielt werden, und dass der internationale Rahmenterminkalender dafür bis Ende kommenden Jahres angepasst werden solle. „Bis Ende 2014 steht der Rahmenterminkalender für die WM 2022. Das sind acht Jahre und damit ist mehr als genug Zeit“, sagte der Schweizer vergangene Woche im dpa-Interview.
Mit Millionenklagen aus den USA, Australien oder Südkorea, die bei der entscheidenden Abstimmung um die WM-Vergabe 2022 gegen Katar verloren hatten, rechnet Blatter nicht. „Ich glaube nicht, dass es Klagen geben wird. Im FIFA-Pflichtenheft steht, dass sich die FIFA-Exekutive vorbehält, eventuelle Änderungen bei einer WM vorzunehmen“, erklärte der 77-Jährige.
Zwanziger reagierte auf Blatters Kehrtwende mit gemischten Gefühlen. „Ich bin einerseits erfreut, weil durch die Darstellung Blatters, der bei der WM-Vergabe selbst wohl nicht für Katar gestimmt hat, deutlich wird, was für eine eklatante Fehlentscheidung das war. Und dass die Mehrheit des Exkos gegen ein faires Vergabeverfahren gestimmt hat.“
Schwerwiegende Vorwürfe erhebt Zwanziger aber nicht nur gegen seine Kollegen im höchsten FIFA-Gremium. „Ich bin aber auch sehr erstaunt, dass eine Reihe von Leuten, die kurz nach der Entscheidung für Katar von Korruption gesprochen haben und das ganze Exko am liebsten erschossen hätten, jetzt sehr schnell einknicken. Was soll das?“, fragte Zwanziger in Richtung jener Funktionäre, die sich wie Bayern Münchens Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge als Präsident des europäischen Clubverbandes ECA zuletzt für eine Winter-WM starkgemacht haben.
Die Folge wäre eine Bundesliga-Saison von Februar bis Oktober - mit entsprechenden Konsequenzen für die Amateure. Zwanziger fordert statt einer Abstimmung über eine Verlegung eine Neuvergabe des Turniers: „Wenn die Entscheidung damals wirklich falsch war, muss man sie aufheben und darf durch eine WM-Verschiebung nicht neue Belastungen für bisher Unbeteiligte verursachen.“ Das seiner Ansicht nach unbedingt zu verhindernde Szenario beschrieb Zwanziger recht plakativ so: „Für die vielen Fans in Deutschland, die nicht nach Katar reisen, bedeutet eine Winter-WM Public Viewing auf Schlittschuhen bei Minusgraden.“