Khedira muss um WM bangen - Not auf der „Sechs“
Mailand (dpa) - Sami Khedira ahnte sofort, dass in seinem rechten Knie irgendetwas kaputtgegangen sein musste.
Nach dem Zweikampf mit Andrea Pirlo blieb der Fußball-Nationalspieler mit schmerzverzerrtem Gesicht auf dem Rasen liegen und reckte den rechten Arm in die Höhe, um medizinische Hilfe herbeizuwinken. Er hatte sich bei seinem Foul das Knie verdreht - und noch in der Nacht wurden für den Profi von Real Madrid und Bundestrainer Joachim die schlimmsten Befürchtungen Gewissheit: Riss des vorderen Kreuzbandes - WM 2014 in großer Gefahr.
„Sami muss operativ behandelt werden“, teilte Mannschaftsarzt Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt am Samstagmorgen mit. Der Eingriff wurde noch am Samstag im Beisein des Mediziners in Augsburg vorgenommen, bestätigte der DFB. „Die Operation ist gut verlaufen“, wurde Müller-Wohlfahrt zitiert.
Sechs Monate Pause werden für einen Kreuzbandriss veranschlagt. Einen Monat später beginnt das Turnier. Es kann aber auch länger dauern, wenn es Komplikationen geben sollte: Bayern-Verteidiger Holger Badstuber hatte vor einem Jahr einen Kreuzbandriss erlitten und wird die WM wohl verpassen.
„Das ist ein bitterer Rückschlag für Sami und uns alle“, äußerte Löw. Abschreiben will der Bundestrainer seine Stammkraft aber nicht: „Er ist auf und neben dem Platz eine ganz große Kämpfernatur und Persönlichkeit. Er denkt immer positiv.“ Das werde dem 26-Jährigen helfen. „Daher bin ich auch optimistisch, dass er rechtzeitig bis zum Anpfiff der WM in Brasilien wieder fit wird“, übermittelte der DFB-Chefcoach. Er hoffe, dass Khedira „schnell in die Reha einsteigen“ könne.
Khediras langfristiger Ausfall und die Ungewissheit einer WM-Teilnahme des 44-maligen Nationalspielers, der auch im Spiel gegen die Italiener mit seiner Dynamik ein Aktivposten im deutschen Team war, bereitet Löw urplötzlich dort Kopfzerbrechen, wo es am wenigsten zu erwarten war. Khedira, Schweinsteiger (Fuß-Op), Gündogan (Rücken), das Top-Trio auf der strategisch so wichtigen Doppel-Sechs im defensiven Mittelfeld ist aktuell komplett weggebrochen.
Aus einer Luxussituation im defensiven Mittelfeld ist plötzlich ein Notstandsgebiet geworden. Schon in Mailand versetzte Löw Kapitän Philipp Lahm einmal mehr ins Zentrum verschoben. „Das hatte vor allem mit den Verletzungen von Schweinsteiger und Gündogan zu tun“, sagte Löw. Er plane weiter mit Lahm als rechter Verteidiger. Aber gegen die ausgebufften Italiener wollte er mit dem 30 Jahre alten Kapitän „Erfahrung“ auf der Sechser-Position und „nicht mit einem ganz jungen Spieler dort spielen“.
Dieses Wagnis wird der Bundestrainer aber nun am Dienstag (21.00 Uhr/ARD) beim Klassiker gegen England eingehen müssen. Dem Vielspieler Lahm gönnt Löw in London eine Pause. Neben Toni Kroos (23) sind die 24 Jahre alten Bender-Zwillinge Lars und Sven die Kandidaten für das defensive Mittelfeld. „Das Spiel ist für uns eine der letzten Gelegenheiten vor der Weltmeisterschaft, taktisch und personell noch einige Varianten zu testen“, sagte Löw. Mehr noch: Jetzt wird ein neuer Khedira gesucht.