Korruptionsvorwürfe setzen Blatter unter Druck
Straßburg (dpa) - Der Europarat hat FIFA-Präsident Joseph Blatter gewaltig unter Druck gesetzt. Der Fußball-Weltverband wurde zur Untersuchung eines möglichen Stimmenkaufs bei der Wiederwahl von FIFA-Boss Blatter aufgefordert.
Geklärt werden sollte, ob der Schweizer seine Position dazu ausgenutzt habe, „unfaire Vorteile für sich oder für abstimmende Personen“ zu erlangen, hieß es in einer Entschließung über Ethik im Sport, die die parlamentarische Versammlung der 47 Europaratsländer fast einstimmig annahm. Gleichzeitig sollte die FIFA Klarheit schaffen über die Korruptionsaffäre um das 2001 in Konkurs gegangene Schweizer Marketing-Unternehmen ISMM/ISL.
Die Parlamentarier haben mit ihrem Vorstoß Blatter scharf unter Beschuss genommen. „Ich habe den Eindruck, Blatter ist beunruhigt“, sagte der Berichterstatter der Versammlung, der konservative Franzose François Rochebloine. „Wir wollen wissen, ob bei seiner Wiederwahl Leute gekauft wurden. Das wird man ja noch fragen dürfen“. Blatter ist seit 1998 FIFA-Chef und wurde im vergangenen Juni für weitere vier Jahre wiedergewählt.
Zur Korruptionsaffäre um ISMM/ISL sagte Rochebloine in der Debatte: „Die Führung der FIFA und ihr Präsident haben nicht viel getan, um die Schuldigen zu identifizieren und zur Rechenschaft zu ziehen.“ Er habe im Gegenteil den Eindruck, dass bei der FIFA „eine Art Gesetz des Schweigens verhängt wurde“.
Rochebloines Vorwürfe gehen zurück auf eine Anhörung des Kulturausschusses des Europarates mit dem für die Affäre zuständigen Schweizer Sonderermittler Thomas Hildbrand im März dieses Jahres. Zwischen 1989 und 1998 wurden nach Angaben Hildbrands etwa 122 Millionen Schweizer Franken (heute etwa 102 Millionen Euro) Bestechungsgelder an Sportfunktionäre in Verbindung mit den Fernseh- und Marketingrechen gezahlt. Weitere 37,4 Millionen Schweizer Franken (31,1 Millionen Euro) seien an unbekannte Personen zwischen Juni 1999 und Januar 2001 geflossen.
Namen nannte Hildbrand aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nicht. Konkret erwähnte er zwei hochrangige FIFA-Funktionäre, von denen einer noch im Amt sei. Sie hätten Millionenbeträge kassiert, sich persönlich bereichert und das Geld nicht an die FIFA weitergeleitet, was ihre Pflicht gewesen wäre. Dem Weltverband sei dadurch ein beträchtlicher Schaden entstanden.
Rochebloine hält es für kaum möglich, dass Blatter über diese eklatanten Missstände nicht informiert war. „Herr Blatter war Technischer Direktor der FIFA von 1975 bis 1981, FIFA-Generalsekretär von 1981 bis 1998 und ist seither ihr Präsident. Da die FIFA von signifikanten Zahlungen an bestimmte ihrer Offiziellen wusste, ist kaum vorstellbar, dass Blatter nichts davon wusste“, sagte er in einer früheren Mitteilung.
Zwar ist die Macht der parlamentarischen Versammlung bescheiden, doch Rochebloine setzt auf die Mitarbeit von Ministerien und Regierungen. Angesichts des Ausmaßes der Korruption beim Fußball, aber auch in anderen Disziplinen, sieht er eine Gefahr für die Zukunft des Sports.