Neuer ohne Groll: „Voller Erfolg“ - Löw emotional
Zürich (dpa) - Ein wenig verschnupft flog Manuel Neuer ins Trainingslager des FC Bayern nach Katar zurück, aber das lag nicht an der verpassten Krönung zum Weltfußballer.
Eine Erkältung quälte den Weltmeister, der im Gegensatz zu Vereinskollege Franck Ribéry ein Jahr zuvor die FIFA-Gala ganz und gar nicht verbittert verlassen hatte. Der 28 Jahre alte Nationaltorhüter fühlte sich keineswegs als Verlierer am deutschen Jubel-Abend in Zürich. „Für mich ist es ein voller Erfolg“, sagte Neuer mit angegriffener Stimme alles andere als zerknirscht: „Ich habe ein fantastisches Jahr 2014 erlebt!“
Die Wahl von Cristiano Ronaldo war nicht mal für Neuer ein Skandal oder ein Unrecht. „Das passt schon.“ Es war vielmehr ein Ergebnis, dass auch den Nationaltorhüter nicht überraschte. „Ich hatte keine Rede vorbereitet“, verriet er und fügte schmunzelnd hinzu: „Ich hätte gar nicht gewusst, was ich sagen soll, wenn ich da oben bin.“ Selbst die Tatsache, dass es für ihn knapp hinter Lionel Messi sogar nur zum dritten Platz gelangt hatte, konnte Neuer nicht nachhaltig verärgern: „Das ist egal. Es ist ja kein Unbekannter, der Nummer zwei ist. Das sind Weltmarken, Cristiano Ronaldo und Lionel Messi.“
Neuer war für viele der Nationaltrainer, Kapitäne und Journalisten, die abstimmen durften, mehr eine spektakuläre WM-Erscheinung im deutschen Weltmeister-Kollektiv. Ronaldo und Messi dagegen sind Einzelkönner, noch dazu Torjäger, nicht Torverhinderer. „Es ist immer spektakulärer, wenn man Tore schießt. Diese Szenen gehen um die ganze Welt, nicht Torhüter-Paraden“, urteilte Trainer-Ruheständler Ottmar Hitzfeld. „In fernen Ländern wird nicht so viel Bundesliga geschaut“, gab Bayern-Kapitän Philipp Lahm zu bedenken.
Auch Joachim Löw war nur „ein bisschen enttäuscht“, dass es in der wichtigsten Kategorie nicht zum deutschen Sieg gereicht hatte. Er selbst wurde als Welttrainer ausgezeichnet, Nadine Keßler vom VfL Wolfsburg als Weltfußballerin und Wolfsburgs Coach Ralf Kellermann als Welttrainer im Frauenfußball. Beim großen Finale gehörte die Bühne aber wieder Ronaldo. Der Champions-League-Sieger von Real Madrid kostete den dritten Gewinn des Goldenen Balles nach 2008 und 2013 in der Pose des exzentrischen Superstars aus. Mit einem lauten „Uuuuh“-Ruf brachte der 29-Jährige seine Freude zum Ausdruck. Und der Portugiese verkündete ein ganz und gar nicht bescheidenes Ziel: „Ich will als Bester in die Geschichte eingehen.“
Neuer konnte nicht als erster Torhüter triumphieren, aber für seine „Zunft“ bewertete er den Sprung aufs Podium als Fortschritt. Sein starker Gala-Auftritt in Zürich hat seinen Marktwert, seine weltweite Strahlkraft befördert. Und er hat den Fließbandtorschützen Ronaldo und Messi etwas Großes voraus - er ist Weltmeister. „Bei uns gab es nicht diesen einen einzigen Superstar, der herausgeragt hat wie bei Portugal oder bei Brasilien oder auch bei Argentinien“, sagte Löw.
Zusätzlich motiviert machte sich Neuer am Dienstagmorgen mit Vereinskollege Arjen Robben auf den sechsstündigen Rückflug nach Doha. „Ich freu mich schon auf das nächste Training“, scherzte er. Titel, nicht individuelle, sondern als Mannschaftssportler reizen ihn 2015. „Wir sind überall in der Spur mit Bayern. Wir versuchen, alle drei Titel zu gewinnen“, kündigte er an, besonders einen. „Das Champions-League-Finale ist in Berlin. Es ist klar, dass wir diesen Titel gewinnen wollen“, sagte der Triple-Gewinner von 2013.
Auch Löw richtete den Blick auf eine ambitionierte Zukunft. Ungewohnt emotional hatte er die Ehrung als Welttrainer kommentiert. „Es ist ein Riesengeschenk, dass ich mit Euch arbeiten darf“, lautete die Dankesbotschaft an seine Spieler. Mit der Gala-Nacht in Zürich fiel für ihn auch der WM-Vorhang. „Das war noch mal ein schöner Abschluss, da gab es auch noch mal eine Gänsehaut“, erklärte Löw.
Gedanklich müsse 2014 aber jetzt abgehakt werden. „Oben zu bleiben wird schwieriger, als nach oben zu kommen“, mahnte Löw. Er möchte eine Ära prägen, eine wie Spanien als Europameister 2008, Weltmeister 2010 und wieder Europameister 2012. „Spanien ist ein gutes Beispiel für uns. Die Spanier haben drei Titel in Folge gewonnen. Das ist die Herausforderung für die nächsten Jahre.“ Wenn Neuer und Co. dieses Kunststück ebenfalls gelingen sollte, muss Lothar Matthäus (1991) nicht für alle Zeiten der einzige deutsche Weltfußballer bleiben.
„Wir haben auch jahrelang gedacht, wir gewinnen die Champions League und die Weltmeisterschaft nicht, die haben wir auch irgendwann gewonnen. Wir werden schon irgendwann auch die Weltfußballerwahl gewinnen“, zeigte sich Bayerns Sportvorstand Matthias Sammer in Doha siegesgewiss. Den Ausgang der Wahl gelte es zu respektieren, „aber für uns ist Manuel der Allergrößte“.