Streit zwischen DFL und DFB: Liga fordert neue Struktur
Frankfurt/Main (dpa) - Zwischen der Deutschen Fußball Liga und dem DFB ist ein offener und ungewohnt heftiger Streit ausgebrochen.
DFL-Geschäftsführer Andreas Rettig forderte in der der „FAZ“ eine neue Führungsstruktur beim Verband sowie ein Mitspracherecht bei der Besetzung und vor allem inhaltlichen Ausrichtung des Sportdirektoren-Postens.
DFB-Präsident Wolfgang Niersbach reagierte darauf so scharf wie selten zuvor: „Wenn nun ein Mann, der noch kein halbes Jahr bei der DFL angestellt ist, so ziemlich alles und jedes in unserem Verband dazu noch sachlich falsch infrage stellt, ist dies anmaßend und völlig unangebracht.“ Er habe bereits mit Ligapräsident Reinhard Rauball geredet und werde das Thema „auch bei der Präsidiumssitzung des DFB am Freitag zur Sprache bringen“.
Die Suche nach dem neuen Sportdirektor ist nur der Auslöser des Streits. Tatsächlich geht es um viel mehr: Darum, welche Macht der Nachfolger von Matthias Sammer und Robin Dutt bekommen soll, wie sich der Deutsche Fußball-Bund generell an seiner Spitze aufstellt und wie er sich in sportpolitischen Fragen wie der EM 2020 verhält. So warf Rettig dem DFB auch einen „vorauseilenden Gehorsam“ und eine Vernachlässigung der Vereins-Interessen auf der großen internationalen Bühne vor.
Der Verband gerät durch diesen Angriff in die Defensive, denn Rettigs Äußerungen in der FAZ sind - anders als es Niersbach darstellen möchte - kein Alleingang. Auch Ligapräsident Rauball hatte bereits Ende Mai, noch bevor der Weggang von Dutt zu Werder Bremen überhaupt feststand, mehr Kontinuität und vor allem ein neues Anforderungsprofil für den Job des DFB-Sportdirektors gefordert.
Durch das frühe Ausscheiden der deutschen „U 21“ bei der Europameisterschaft in Israel sieht sich die DFL nun in all ihren kritischen Fragen bestätigt: Wieso konnte Bundestrainer Joachim Löw völlig unabhängig entscheiden, dass jene A-Nationalspieler, die auch noch in der „U 21“ spielen könnten, nicht zu diesem Turnier fahren? Wieso liegt beim DFB so viel Verantwortung in den Händen nur eines Generalsekretärs (Helmut Sandrock) beziehungsweise warum stellt man dem nicht auf höchster Ebene einen Sportchef an die Seite, der dann gleichzeitig auch eine Art Vorgesetzter des Bundestrainers wäre?
„Dass die Führung eines so großen Verbandes von einer hauptamtlichen Person geleistet werden kann, da habe ich meine Zweifel“, erklärte Rettig. „An dieser Stelle des DFB kommen sehr viele Aufgaben zusammen.“ Laut FAZ-Bericht ist der Ligaverband dafür, dass der neue Sportdirektor deutlich mehr Kompetenzen als seine Vorgänger Matthias Sammer und Dutt erhält. Deshalb möchte die DFL bei der Besetzung dieses Postens auch mitreden. „Die Entscheidung über den Sportdirektor kann keine exklusive Entscheidung des DFB sein. Da geht es auch um Interessen des Ligaverbands“, betonte Rettig.
DFB-Generalsekretär Sandrock hält nichts von dessen Ideen. „Die Personalie Sportdirektor ist eine originäre Aufgabe des DFB“, stellte er klar. Bereits am Samstag hatte sich der 56-Jährige in der „Süddeutschen Zeitung“ auch gegen eine Neuordnung des sportlichen Bereichs ausgesprochen. „Einen übergeordneten Sportdirektor gibt es bei keinem anderen großen Verband“, meinte Sandrock. „Wir haben heute eine klare Richtlinienkompetenz für die inhaltlichen Leitplanken, von der Spielphilosophie bis hin zur Trainingsvorbereitung - und die liegt beim Bundestrainer. Deswegen heißt der Bundestrainer ja auch Bundestrainer, und nicht Trainer der A-Nationalmannschaft.“
Doch die Kritik der DFL geht noch deutlich weiter. Rettig beklagte, dass sowohl die Zustimmung des DFB zur umstrittenen U19- Champions-League als auch dessen Verhalten beim Thema EM 2020 gegen die Interessen der deutschen Profi-Vereine ginge.
Der langjährige Manager des FC Augsburg nannte es „vorauseilenden Gehorsam“, dass der DFB auf eine Kandidatur für die beiden Halbfinals und das Endspiel verzichten will, falls sich die Türkei ebenfalls um dieses Finalpaket bewirbt. „Wir wissen von Außenständen von einigen Millionen Euro, die türkische Clubs unseren Clubs seit langer Zeit schuldig sind“, meinte Rettig. „Bei aller Sportpolitik sollte man immer das Gesamtbild im Auge haben.“ Konkret bedeutet dies: Der DFB tritt ihm international viel zu halbherzig und zu UEFA-nah auf.
Niersbach wehrt sich gegen diesen Vorwurf: „Ich kann mich nur wundern“, sagte er. „Denn bei meinen ständigen Kontakten mit Ligapräsident Reinhard Rauball haben wir uns immer einvernehmlich abgestimmt, etwa bei so wichtigen Themen wie der EM-Bewerbung 2020 oder den Sicherheitsfragen - in diesem Geist haben wir auch den Grundlagenvertrag bis 2017 verlängert.“ Bei der DFB-Präsidiumssitzung am Freitag dürfte es sicher einige hitzige Diskussionen geben.