Argentiniens Maskottchen Maradona
Belo Horizonte (dpa) - Wer dieser Tage brasilianisches Fernsehen schaut, bekommt eine weitere Seite im facettenreichen Leben des Diego Armando Maradona zu sehen.
In einem Werbespot für ein Internetverkaufsportal ragt nur Maradonas Kopf aus der Lehne eines Ledersessels, während eine Gruppe brasilianischer Fans sich über eine vergebene Chance ihrer Mannschaft vor dem TV-Gerät ärgert. Maradona lacht krächzend-ätzend und skandiert mit weit aufgerissenen Augen: „Argentina, Argentina.“
Maradona, das ist und bleibt ein ganz spezielles Kapitel in der Geschichte des argentinischen Fußballs. Beim WM-Titel 1978 im eigenen Land durfte der damals 17-Jährige noch nicht ran, ein Jahr später wurde Maradona Junioren-Weltmeister. Er führte die Nationalmannschaft 1986 zum zweiten und bislang letzten Titel.
Als „Hand Gottes“ und mit dem „Tor des Jahrhunderts“ machte sich Maradona in Mexiko unsterblich. Er weinte bei der bislang letzten Finalteilnahme seiner geliebten „Albiceleste“ 1990 in Italien nach der Niederlage gegen Deutschland Rotz und Wasser. Er verabschiedete sich 1994 in den USA unrühmlich mit einem Dopingskandal als Spieler von der WM-Bühne.
Als bisweilen auch belächeltes Maskottchen der Nationalmannschaft machte Maradona 2006 bei der WM in Deutschland Schlagzeilen. 2010 stand Maradona an der Seitenlinie und fiel vor allem durch Dauer-Herzereien für seine Spieler auf. Das irgendwann einfach mal fällige Experiment mit dem berühmtesten Spieler als Trainer dauerte vom 28. Oktober 2008 bis zum 5. Juli 2010, in dieser Zeit setzte Maradona über 90 Spieler ein. Alle schauten weiter auf ihn, trotz eines Lionel Messi.
Die Zeiten als Edelfan mit Entourage von 2006 sind vorbei. Die Zeiten als Trainer von Messi & Co. erst recht. Der Maradona von 2014 arbeitet als Experte für einen venezolanischen TV-Sender. Oder wie es die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ formulierte: „Die Petrodollars machen es möglich: Argentiniens Fußball-Idol Diego Maradona wird während der Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien zum politischen Lobbyarbeiter für die angeschlagene sozialistische Regierung Venezuelas.“
Maradona, der als Spieler in der argentinischen Nationalmannschaft am Mittwoch vor 32 Jahren beim 4:1 über Ungarn sein erstes WM-Tor erzielt hatte, nutzt das TV-Studio aber nicht nur für politische Statements, sondern auch für ein bisschen Patriotismus-Werbung in eigener Sache. Da muss auch schon mal sein jüngster Sohn, Dieguito Fernando, herhalten. Voll väterlichem Stolz hob Maradona den Filius jüngst auf den Schreibtisch und zeigte, dass der kleine Bub das Nationaltrikot mit dem Namen von Messi trug.
Übertragen wird die Sendung mit dem redseligen Maradona, die ihn weltweit wieder mal zur WM-Zeit ins Gespräch bringt, in 110 Länder. Die Show sei überraschend erfolgreich, sagte laut dem „Wall Street Journal“ Telesur-Präsidentin Patricia Villegas. Man überlege, sie auch nach der WM fortzusetzen. „Die Idee war, dass Maradona als Gastgeber eine Show hat, nicht nur weil er die große WM-Figur ist, sondern auch, weil er in Lateinamerika eine Ausnahmestellung hat.“
Ob Lob für das deutsche Team oder Kritik an den Brasilianern, Maradona fühlt sich wohl auf der Bühne seiner Sendung „De Zurda“ (Mit links). Und wer es nicht hören und den einst begnadeten Fußballer mit seinen Brillies im Ohr sehen will, kann ja wie die brasilianischen Fans in dem Werbespot für ein Verkaufsportal einfach auf den Knopf drücken und den Mann mit dem Kopf aus einem Sessel verschwinden lassen. In Argentiniens Fußball-Geschichte bleibt er eh für immer der einzigartige Diego Armando Maradona.