Drohendes Aus Das Schicksalsspiel für Messi und Fußball-Argentinien

St. Petersburg (dpa) - Alles steht auf dem Spiel: die Karriere von Lionel Messi in der Nationalmannschaft, der Job von Trainer Jorge Sampaoli und die letzte WM-Hoffnung eines ganzen Landes.

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Mehr Druck, als auf dem bislang so enttäuschenden Anführer Messi und seinen Argentiniern im Gruppenfinale gegen Nigeria lastet, geht wohl nicht. „Wir sind der Vizeweltmeister, und irgendwann müssen wir es beweisen“, fordert der viermalige WM-Teilnehmer und Wortführer Javier Mascherano nach turbulenten Tagen im Camp der Südamerikaner. „Ich erlaube mir keine Bitterkeit, ich träume noch davon, dass Argentinien in die nächste Runde kommt“, sagt Edelfan Diego Maradona.

Die letzte Hoffnung und die letzte Chance, das drohende Debakel mit einem beschämenden Vorrunden-Aus nach einem 1:1 gegen WM-Neuling Island und dem 0:3 gegen Kroatien noch mehr oder weniger aus eigener Kraft abwenden zu können, haben Messi und seine Mitspieler pikanterweise einzig den Nigerianern zu verdanken. „Das Schicksal gibt uns noch eine Möglichkeit“, weiß Mascherano. „Man hat uns noch eine kleine Tür geöffnet“, pflichtet Maradona bei: „Das müssen wir ausnutzen.“

Er sei überzeugt, dass die Mannschaft ein neues, positives Kapitel in ihrer Geschichte aufschlage und die Partie ein Startpunkt für die WM werde, betonte Sampaoli. „Diese Mannschaft ist absolut entschlossen, zu gewinnen und weiterzukommen.“ Der 58-Jährige sprach bei der Pressekonferenz in St. Petersburg allerdings auch von „schwierigen“ Tagen nach der Demontage durch die Kroaten. Details zur Krisensitzung am vergangenen Freitag im WM-Camp in Bronnizy wollte er nicht preisgeben.

Exakt 40 Jahre und einen Tag nach dem WM-Triumph vor heimischer Kulisse am 25. Juni 1978 und 32 Jahre nach der Maradona-Show in Mexiko mit dem erneuten Titel für Argentinien droht bei einem Vorrunden-Aus der Fall ins Bodenlose. Nur ein Sieg am Dienstagabend (20.00 Uhr MESZ) im schmucken Stadion von St. Petersburg kann die Kempes- und Maradona-Erben noch retten. Es wäre das erste Aus nach der Vorrunde seit 2002, der letzten WM noch ohne Messi.

2018 könnte die letzte WM mit Messi sein. „Die Frage ist nicht, ob Messi nach diesem Spiel zurücktritt. Es geht einzig und allein darum, wer weiterkommt“, betonte Nigerias deutscher Trainer Gernot Rohr am Montag im Stadion von St. Petersburg. Er räumte danach zwar ein: „Wir alle lieben diesen großen Spieler. Auch ich persönlich, auch meine Spieler.“ Im Fußball gebe es aber keine Gnade, kein Mitleid und keine Geschenke.

Vor zwei Jahren trat Messi schon einmal aus der Nationalmannschaft zurück, damals nach dem dritten verlorenen Finale in drei Jahren (WM-Endspiel 2014 gegen Deutschland, Endspiele der Copa América 2015 und 2016 gegen Chile). Dass der am Sonntag 31 Jahre alt gewordene Messi bei einem Aus im Nationaltrikot weitermacht, scheint angesichts seiner eigenen bisherigen Leistung und der höchst angespannten Gesamtstimmung eher nicht vorstellbar.

Zwei Tage vor dem Anpfiff der Partie sah sich Verbandsboss Claudio Tapia sogar aufgerufen, die Medien scharf zu kritisieren. Das meiste sei gelogen, (ver)urteilte der 50-Jährige Berichte über schwere Spannungen zwischen Trainer und Mannschaft bis hin zu einer vorübergehenden Entmachtung von Sampaoli, der seine Mannschaft wieder verändern wird.

Ins Tor rückt statt des 36 Jahre alten WM-Debütanten Wilfredo Caballero nach seinem Riesenpatzer im Kroatien-Spiel Franco Armani. Für den Keeper von River Plate wird es nicht nur die WM-, sondern sogar die Länderspiel-Premiere. „Es ist eine Gelegenheit, die Gott uns gegeben hat“, sagte der 31-Jährige bei der Pressekonferenz am Montag und versicherte bestmöglich vorbereit zu sein.

Angst und Schrecken verbreiten diese Argentinier in Russland aber nicht mehr. Ehrfurcht vor Messi bei den Nigerianern? Fehlanzeige. „Ich habe keine Angst vor Messi. Ich glaube an mich und an mein Team“, sagte Torwart Francis Uzoho: „Ich bin zuversichtlich, dass wir sie schlagen, wir haben jetzt die Siegermentalität.“ Man fahre nicht nach St. Petersburg, um zu verlieren, betonte Stürmer Ahmed Musa.

Seit vier WM-Spielen warten die Argentinier mit Messi bereits auf einen Sieg in der regulären Spielzeit. Der bis dato letzte war das 1:0 gegen Belgien im Viertelfinale der Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien. Auf dem Weg dorthin trafen die Argentinier auch schon auf Nigeria. Sie gewannen damals 3:2, Messi schoss seine WM-Tore vier und fünf. Dabei ist es bis jetzt geblieben. Ein Testspiel im November ohne Messi verlor Argentinien gegen Nigeria 2:4.