Die eierlegende Wollmilchsau gibt es noch nicht

Über die Flexibilität als taktisches Mittel

Frank Wormuth: Leiter der Trainerausbildung beim DFB.

Foto: grhi

Die deutsche Mannschaft hat Willen und Leidenschaft gezeigt und so eine Niederlage abgewendet. Warum hatte sie jedoch über weite Strecken der zweiten Halbzeit nicht die Spielkontrolle und musste sich auf einen offenen Schlagabtausch einlassen?

Die Antwort nach der mangelnden Spielkontrolle der zweiten Halbzeit liegt im Spiel der ersten Halbzeit. Wir konnten alle gut erkennen, dass die Spielidee des Ballbesitzspieles gegen Ghana nur bis zum 1:0 funktionierte. Die Führung bestätigte zwar vorerst den Matchplan, aber bei Rückstand muss sich jede Mannschaft etwas überlegen. Dieses für den Zuschauer attraktive Hin und Her kam durch plötzlich vorhandene Räume zustande, die aufgrund von drei Merkmalen entstanden sind: Deutschland musste schneller in die Offensive umschalten, um freie Räume bespielen zu können. Dieses erhöhte Tempo führte aber auch auf unserer Seite zu Räumen, die wiederum durch die Konter der Ghanaer genutzt wurden. Ein weiterer Punkt war der Abbau der konditionellen Leistungsfähigkeit aufgrund des Klimas. Es entstanden wiederum Räume durch die fehlende Kompaktheit. Und der dritte Punkt war, dass die Ghanaer das Spiel gewinnen mussten und wir wollten — also beide Teams mehr Risiko eingegangen sind. So kam es zu diesem offenen Schlagabtausch aufgrund vorhandener Räume, den wir Trainer ungern sehen, aber für den Zuschauer sehr attraktiv ist.

Es gab Probleme auf den Außenverteidigerpositionen, gleichzeitig füllte der potenziell beste deutsche auf dieser Position — Philipp Lahm — seine Sechserrolle nicht so aus wie erwartet. Ist hier ein Wechsel sinnvoll?

Der Sinn der Besetzung der Außenverteidiger mit Innenverteidiger soll die Abwehr stärken. Man nimmt also in Kauf, dass die Offensive über außen nicht optimal ist. Wenn man aber zurückliegt oder den Gegner ständig in seine Hälfte drückt, dann braucht man diese Lahms auf der Außenbahn. Von daher wären Allrounder in einer Mannschaft super, weil man dann auch innerhalb eines Spieles die Spieler auf unterschiedliche Positionen stellen könnte. Als Schweinsteiger eingewechselt wurde, da dachte ich, dass Lahm auf die rechte Verteidigerposition geht und ein Innenverteidiger auf die Sechs — als defensive Absicherung gegen die Konter der Ghanaer. Ich glaube, dass diese Flexibilität auf den Positionen zukünftig eine taktische Möglichkeit wird, aber zurzeit ist das Fußballleben noch kein Wunschkonzert.

Fehlt es gerade gegen einen Gegner wie Ghana, der mit letztem Körpereinsatz in die Zweikämpfe geht, auf einigen Position an Robustheit, um adäquat dagegenzuhalten? Oder konnte sich nur die gewohnte Spritzigkeit und Handlungsschnelligkeit der Deutschen unter den extremen Bedingungen nicht wie gewohnt entfalten?

Jede Spielidee hat seine Protagonisten. Die eierlegende Wollmilchsau gibt es noch nicht. Die deutschen Spieler haben kein Problem robust in die Zweikämpfe zu gehen. Aber wenn es eine andere Art des Spieles gibt mit der man erfolgreich ist, dann sollte man dieses Spiel auch bevorzugen. Ich glaube aber auch, dass wir in der Bundesliga gegenüber dem internationalen Spiel weniger hart zur Sache gehen, weil in unserem Land regelkonformer gepfiffen wird. International geht es in der Tat härter zu. Aber nochmals: Die deutsche Nationalmannschaft ist mit ihrem Spiel bisher erfolgreich gewesen, und Härte allein garantiert noch keinen Sieg. Das haben uns die Holländer 2010 im Finale gegen die Spanier gezeigt.