Endlich bei einer WM: Van Gaal lässt Trauma hinter sich

Rio de Janeiro (dpa) - Nein, das konnte Louis van Gaal nun wirklich nicht auf sich sitzen lassen. Die Geschichte der Fußball-WM ohne ihn? Unvorstellbar! Also musste er unbedingt noch ein zweites Mal das Amt des Bondscoaches in den Niederlanden übernehmen.

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eine erste Amtsperiode hatte als dunkelstes Kapitel seiner ruhmreichen Trainerkarriere geendet. 2001 scheiterte der „Tulpen-General“ mit der Elftal in der Qualifikation für die Fußball-Weltmeisterschaft 2002 in Japan und Südkorea. Eine Schmach, die ihm nicht nur in Deutschland sehr viel Häme einbrachte, wo der Song „Ohne Holland, fahren wir zur WM“ zum Klassiker wurde.

Von der „ultimativen Revanche“, schrieb die Tageszeitung „De Telegraaf“ deshalb bei van Gaals zweiter Vorstellung als Nationaltrainer Anfang Juli 2012. Nach dem peinlichen Vorrunden-Aus bei der Europameisterschaft in Polen und der Ukraine musste Bert van Marwijk seinen Hut nehmen - der Weg war frei für die Wiedergutmachung von van Gaal. „Auf diese Herausforderung habe ich gewartet“, meinte der gut ein Jahr zuvor bei Bayern München entlassene Niederländer.

Teil eins auf dem Weg zur Wiederherstellung seiner Fußball-Ehre ist van Gaal bereits geglückt. Ohne Niederlage marschierte das Oranje-Team durch die Qualifikation, nun soll in Brasilien der zweite Schritt folgen. „Ich bin so glücklich, dass ich hier bin und die niederländische Mannschaft anführen darf“, sagte van Gaal bei seiner Ankunft am Zuckerhut in einem ungewöhnlichen Moment der Demut.

Einen besseren Ort für seine WM-Premiere als das fußballverrückte Brasilien hätte es für den selbstverliebten van Gaal nach eigener Auffassung nicht geben können. „Das wird etwas ganz Besonderes“, frohlockte der 62-Jährige. Ob das auch für die Leistungen seiner Elftal gilt, wird sich bereits im schweren Auftaktspiel gegen Titelverteidiger Spanien am Freitag in Salvador erweisen. Seine Landsleute sind nicht so zuversichtlich wie van Gaal, der seine Mannschaft auf die schwere Vorrunde mit Spanien, Chile und Australien bestens vorbereitet sieht.

Die Kritik an seinem Systemwechsel und der Abkehr vom in den Niederlanden eigentlich fest verankerten 4-3-3-System ficht van Gaal nicht an. „Ich bin angestellt, um zu gewinnen“, sagte der Meistertrainer in den Niederlanden, Spanien und Deutschland. „Ich mache immer das, was am besten für die Mannschaft ist.“

Die Öffentlichkeit im deutschen Nachbarland hat daran so ihre Zweifel, die führenden Medien wie „De Telegraaf“, der Fernsehsender NOS oder das Fachmagazin „Voetbal International“ halten mit Kritik an van Gaal nicht hinter dem Berg und prägen damit auch die Stimmung unter den Anhängern des Vize-Weltmeisters. Verbandsboss Bert van Oostveen fühlte sich daher in den Tagen vor der WM sogar bemüßigt, die Medien zur Räson zur rufen.

Und van Gaal? Der liebt es, sich in Pressekonferenzen ein Streitgespräch mit Journalisten zu liefern. Dabei lässt er keinen Zweifel, was er vom Fußballsachverstand seines Gegenübers hält - nämlich nichts. Zu verlieren hat er seiner Meinung nach eh nichts mehr. Die Schmach der verpassten WM 2002 ist getilgt und um seine Zukunft muss sich van Gaal auch keine Sorgen machen. Noch vor der WM machte er sein Engagement ab der kommenden Saison bei Manchester United perfekt. „Weil es mich nach zwei Jahren langweilt, Nationaltrainer zu sein“, wie van Gaal dem „Algemeen Dagblad“ in typisch provozierender Art und Weise offenbarte.