Frankreich träumt und vergisst Ribéry

Ribeirão Preto (dpa) - Als Frankreichs Fußball-Nationalteam in Brasilien sein WM-Quartier bezog, erschien in der Heimat die druckfrische „L'Équipe“: „Träumen ist erlaubt“, war in groß auf Seite eins der Sportzeitung zu lesen.

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Die Schlagzeile spiegelt nicht nur die allgemeine Stimmung wider. Sie zitiert auch Nationaltrainer Didier Deschamps, der sich kurz vor dem Abflug nach Südamerika ungewöhnlich optimistisch gezeigt hatte. Bei einem Mann, der von sich behauptet, „realistisch und pragmatisch“ zu sein, will das viel heißen.

Fünf Tage vor dem WM-Auftakt gegen Honduras schwebt Frankreich auf Wolke sieben. An den Ausfall von Weltstar Franck Ribéry, der wegen chronischer Rückenschmerzen aus dem Kader gestrichen wurde, denkt kaum noch jemand. Deschamp hat das Thema ad acta gelegt.

Auf der ersten Pressekonferenz auf brasilianischem Boden schaute der Coach lieber nach vorn: „Da ist sehr viel Freude, das sieht man, das spürt man.“ Seine Schützlinge seien glücklich und auch sehr stolz darauf, an der WM teilnehmen zu dürfen. Vier Jahre nach dem WM-Fiasko von Südafrika, als Frankreich mit zahlreichen internen Querelen und dem sieglosen Vorrundenaus Negativschlagzeilen am Fließband produzierte, will sich der Weltmeister von 1998 von seiner besten Seite zeigen.

„Das Zusammenleben ist sehr, sehr gut. Wir haben eine großartige Gruppe beisammen“, versicherte Paulo Pogba von Juventus Turin. Die mehrheitlich jungen Profis demonstrieren Zuversicht und Selbstvertrauen, aber auch Demut. „Wir sind bereit, wir haben eine sehr gute Vorbereitung gemacht, drei Wochen seriös gearbeitet“, sagte nach dem Torfestival gegen Jamaika Mittelfeldmotor Blaise Matuidi. Ersatzkapitän Mamadou Sakho sprach von einem „fast perfekten Spiel“.

Auch die heimischen Medien sind überzeugt: Diesmal wird es ganz anders kommen als in Südafrika. Ex-Bayern-Profi Bixente Lizarazu schrieb in „L'Équipe“, dass die gegen Jamaika geteste Doppelspitze mit Real-Madrid-Mann Karim Benzema und Arsenal-Profi Olivier Giroud bei der WM gut funktionieren könne. In einem Video der Zeitung „Le Parisien“ hieß es, es mache einfach Spaß, diesem Team zuzuschauen und dass es das Publikum wieder erobert habe: „Anders als 2010 lieben wir diese französische Mannschaft. Das ist schon ein erster Sieg.“

Den berüchtigten Trainingsstreik von 2010 in Knysna haben die Franzosen immer noch nicht vergessen. In Brasilien, wo neben Honduras die Vorrundengegner Schweiz und Ecuador heißen, soll aber ein für alle Mal der nationale Stolz der Grande Nation wiederhergestellt werden. Disziplinfanatiker Deschamps hat außerhalb des Feldes die Voraussetzungen geschaffen. Der Weltmeister von 1998 will es dem Brasilianer Zagallo und Franz Beckenbauer möglichst nachmachen und als Dritter sowohl als Spieler wie auch als Trainer den wichtigsten Titel im Weltsport holen.

Als die Delegation im Hotel JP am Stadtrand von Ribeirão Preto etwa 320 Kilometer nördlich von São Paulo eintraf, stand nur der 45-Jährige den Journalisten ganz kurz Rede Antwort. Die Spieler sollten schnell zu Abend essen und in ihre Zimmer. „Wir sind begeistert, hier zu sein“, sagte der Coach. Und es klang, anders als alle Beteuerungen von 2010, grundehrlich.