Grande Nation schießt sich in Favoritenkreis

Ribeirão Preto (dpa) - Im weiten Rund schallten die „Allez les Bleus“-Rufe immer lauter, und zwischendrin stimmten die französischen Fans immer wieder die „Marseillaise“ an - der erste WM-Härtetest gegen die Schweiz geriet dank des Offensiv-Feuerwerks von Karim Benzema & Co. zum Triumphzug.

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„Es war ein schöner Abend. Sechs Punkte nach zwei Spielen, das ist ideal“, sagte Trainer Didier Deschamps in Salvador nach dem berauschenden 5:2 (3:0) für den Nachbarn aus der Schweiz.

In Paris und anderen Großstädten stimmten Autofahrer Hupkonzerte an, Präsident François Hollande ließ wissen, er sei „stolz“, das Team mache die Franzosen glücklich. Der TV-Sender TF1 jubelte über das meistgesehene Spiel seit dem WM-Finale 2006. Und am Samstag gab es in den Medien wahre Lobeshymnen: „Schwindelerregend“, titelte „L'Équipe“ groß auf Seite eins. „Es war eine magische Vorstellung“, schrieb das Sportblatt, während „France-Ouest“ von einem „wahren Konzert“ sprach.

Deschamps sagte am Tag nach dem Sieg, er wisse um die „helle Aufruhr“ daheim. Er wolle diese auch nicht dämpfen, sagte er, tat es dann aber doch: „Wir sind eben nur fast qualifiziert, ich denke noch nicht ans Achtelfinale, wir müssen noch gegen Ecuador spielen und wollen ja den ersten Platz in der Gruppe sichern“, betonte er im WM-Quartier in Ribeirão Preto. Seine Spieler seien glücklich. Im Team herrsche aber auch „Scharfsinnigkeit und Bescheidenheit“. „Man weiß, dass es noch viel zu tun gibt“, betonte der Weltmeister von 1998.

In Salvador hatte sich „DD“ nach der Gala seiner nun zu Mitfavoriten avancierten Hochgeschwindigkeitsfußballer noch zu einem Vergleich hinreißen lassen, der ihm wohl kurz darauf leidtat. Die Stimmung im Team und die Begeisterung drumherum - „das ist wie 1998!“ Doch Deschamps trat sogleich den verbalen Rückzug an: „Aber eigentlich darf man das nicht mit 1998 vergleichen.“

Die Statistik spricht für den Final-Einzug: Denn seit dem Titelgewinn vor 16 Jahren flog Frankreich in regelmäßigen Wechsel entweder in der Vorrunde raus oder kam ins Finale. „In jedem Fall ist Frankreich besser als Italien oder England“, befand der Schweizer Trainer Ottmar Hitzfeld. „Frankreich hat viel individuelle Klasse. Sie gehören neben einigen anderen sicher zu den Teams, die sehr weit kommen können.“

Seinem Team stellte er kein gutes Zeugnis aus. Zwar habe eine Viertelstunde gut mitgehalten, „aber der Doppelschlag in der 17. und 18. Minute hat uns das Genick gebrochen.“ Da hatten die französischen Konterkönige durch Tore von Olivier Giroud und Blaise Matuidi das Spiel entschieden. Und obwohl der überragende Benzema beim von Diego Benaglio parierten Elfmeter (32.) die Chance zum 3:0 ausließ, geriet der Sieg nie in Gefahr. Mit den Treffern von Mathieu Valbuena (40.), Benzema (67.) und Moussa Sissoko (73.) schien sich ein Debakel anzubahnen. Doch die Schweizer gestalteten durch Blerim Dzemali (81.) und Granit Xhaka (87.) das Ergebnis noch etwas erträglicher.

Aber auch so war die höchste WM-Niederlage seit 1966 (0:5 gegen Deutschland) schlimm genug. Entsprechend zerknirscht war Hitzfeld: „Wir haben einen rabenschwarzen Tag erwischt.“ Man habe nach dem Rückstand die Abwehr öffnen müssen. „Und wenn man gegen eine Klasse-Mannschaft spielt wie Frankreich, ist das Doping für den Gegner.“ Der Kapitän sah das Positive: „Lieber einmal so hoch, als mehrmals 0:1 zu verlieren. Es ist immer noch offen. Jeder muss seine Leistung kritisch hinterfragen, dann müssen wir uns positiv auf das Spiel gegen Honduras vorbereiten“, sagte Gokhan Inler.

Während Frankreich das Achtelfinale praktisch sicher ist, muss die Schweiz im letzten Vorrundenduell mit Honduras am Mittwoch in Manaus. unbedingt siegen. Für Hitzfelds Elf eine besondere Dschungel-Prüfung. „Die Mannschaft wird enger zusammenrücken. Dann erwarte ich eine Trotzreaktion.“ Allerdings ohne Abwehrspieler Steve von Bergen: Nach einer Fraktur des Augenhöhlenbodens ist die WM für ihn beendet.

Hitzfeld ahnte, „dass es Kritik geben“ würde. Die fiel auch nicht zimperlich aus. „Der Geheimfavorit ist mit der Schande von Salvador in 90 Minuten zum Prügelknaben des Turniers geworden. Elf kleine Schweizer werden vom französischen Hochgeschwindigkeitszug TGV überfahren“, schrieb das Boulevard-Blatt „Blick“.

Bei den Franzosen kündigte Valbuena weitere Großtaten an: „Es macht uns sehr viel Spaß. Wir müssen die Einstellung beibehalten und weiterarbeiten.“ Ähnlich äußerte sich der in Galaform befindliche Benzema. „Ich bin gut drauf, aber man darf nicht nachlassen. Was ich erreiche, schaffe ich nur gemeinsam mit meinen Kameraden.“