Fußball-Nationaltrainer Großes im Blick: Aura Löw treibt DFB voran

Dortmund (dpa) - Jetzt kann er loslegen. Die Kaderauswahl ist getroffen, die Nominierungs-Überraschung Nils Petersen verkündet - und als Zugabe geht Joachim Löw noch mit einem neuen Vertrag in die Vorbereitung auf sein bereits sechstes großes Turnier als wichtigster Fußballlehrer des Landes.

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„Wir wollen natürlich wieder versuchen, das Maximale zu erreichen“, sagte Löw. Das ist der WM-Triumph am 15. Juli. Aber der neue Kontrakt für den Bundestrainer bis 2022 ist für den DFB ähnlich wertvoll wie der sportliche Erfolg.

Am kommenden Mittwoch versammelt der Weltmeistercoach 26 seiner 27 eingeladenen Spieler zur WM-Vorbereitung im idyllischen Eppan an der Südtiroler Weinstraße. Nur Toni Kroos fehlt in Norditalien, da er sich mit Real Madrid noch fit macht für das Champions-League-Finale gegen den FC Liverpool. Ab sofort hat Löw Südtirol vor Augen. Doch längst hat er weiter viel mehr, nämlich das ganz Große im Blick.

Der im Schwarzwald geborene Löw will der erste Bundestrainer sein, dem die WM-Titelverteidigung glückt. Seine Vorgängern Sepp Herberger (1954) und Helmut Schön (1974) sowie Teamchef Franz Beckenbauer (1990) siegten jeweils einmal. Deutschland soll nach Brasilien (1958 und 1962) als zweite Nation der zweite WM-Titel nacheinander gelingen. Das allerdings ist nicht alles: Der ehrgeizige Löw möchte auch danach weiter den deutschen Fußball prägen, verbessern und das Nationalteam auf Topniveau halten. Schon jetzt hat er einen „möglichen Umbruch“ nach dem Turnier in Russland im Kopf.

Es war und ist mehr Passion als Job, seit er am 16. August 2006 nach dem WM-Sommermärchen von seinem Chef Jürgen Klinsmann auf die Karriereleiter gehievt wurde. Und es gefällt ihm einfach. Zwar erklärt Löw regelmäßig, dass ihn ein internationaler Spitzenclub wie Real Madrid natürlich noch reizen würde. Aber in der Realität will er seinen Platz doch nicht tauschen. Er spüre weiter die Verpflichtung, Grenzen einzureißen, um die Nationalmannschaft noch besser zu machen, sagte Löw mit dem neuen Kontrakt bis zur WM 2022 in der Tasche. „Auf der anderen Seite macht es mir persönlich wahninnig viel Spaß.“

Schon zum siebten Mal hat Löw seine Zusammenarbeit mit dem Deutschen Fußball-Bund nun verlängert. Er war und ist gemeinsam mit Manager Oliver Bierhoff die größte Konstante im DFB - gerade nach der Affäre um die Fußball-WM 2006. Genau deswegen ist dieser Bundestrainer so wertvoll und vor allem deshalb nutzte Präsident Reinhard Grindel zur ungewöhnlichen Zeit die Chance zur Ausdehnung der Ära Löw.

Löws sportliche Kompetenz ist unumstritten. Auch außerhalb des Stadions findet er den richtigen Ton, trifft dennoch knallharte Entscheidungen. Sein dauerhafter Erfolg - bei WM- und EM-Turnieren erreichten seine Teams immer mindestens das Halbfinale - schmückt den deutschen Fußball. Löw sei „mit seiner sozialer Kompetenz und Ausstrahlung“ nicht nur im eigenen Land geachtet, sagte Grindel.

Mit seiner Aura treibt Löw den DFB an, auch wenn er sich immer wieder längere persönliche Pausen gestattet. Längst bestimmt der innere Zirkel um Löw und Bierhoff die sportliche Ausrichtung des ganzen Verbandes. Der einstige Teammanager Bierhoff ist inzwischen Direktor im DFB und bekam seinen Vertrag gerade bis 2024 verlängert. Löws Assistenztrainer Marcus Sorg (52) wurde gerade als Bindeglied zwischen Eliteteam und dem Nachwuchs mehr Verantwortung übertragen. Auch sein Kontrakt wurde gleich um vier Jahre erweitert.

„Die Verlängerung hat zwei Aspekte: Erstmal macht es im Team richtig Spaß. Wir haben noch einiges vor“, sagte der 50 Jahre alte Bierhoff. „Das andere ist die Akademie, das ist ein Jahrhundertprojekt. Wir haben da so eine Aufbruchstimmung“, sagte der einstige DFB-Kapitän zu der Zeit weit über die WM in Russland hinaus. Bierhoff kämpft seit Jahren um die zentrale Bündelung aller Kompetenzen in der DFB-Akademie, die auf dem Gelände der bisherigen Galopprennbahn im Frankfurter Stadtteil Niederrad entstehen soll.

„Es ist eine große Herausforderung, wenn man die Entwicklung in der Bundesliga oder bei den Jugendnationalmannschaften sieht“, sagte Bierhoff. Löw hat längst den Finger in die Wunden gelegt und die Defizite angesprochen. Das wird nun noch länger so sein.