Klinsmanns Comeback auf der großen WM-Bühne
Sao Paulo (dpa) - Es braucht nicht viel, um Jürgen Klinsmann in WM-Euphorie zu versetzen. Der US-Nationaltrainer ist erst seit wenigen Tagen in Brasilien und dennoch längst dem Fußball-Flair des Gastgeberlandes verfallen.
„Man merkt den Leuten hier die Freude an. Die WM ist deren Bühne - und wir sind ein Teil davon“, sagt Klinsmann. Wenn der 49-Jährige über das Turnier spricht, dann versprüht er noch mehr Energie als ohnehin schon. Die Mundwinkel gehen nach oben, die Augen leuchten, seine Worte kommen einer Liebeserklärung gleich. Und Klinsmann klingt eher als Fan denn als Trainer, wenn er sagt: „Etwas Besseres als eine WM in Brasilien gibt es einfach nicht.“
Für den Schwaben ist die „Copa do mundo“ das Comeback auf der größten Fußball-Bühne. Zum fünften Mal ist er als Spieler oder Coach dabei. Klinsmann ist 1990 Weltmeister geworden und hat 2006 als Bundestrainer in Deutschland eine riesige Fußball-Euphorie ausgelöst. Vor vier Jahren war er dann als TV-Experte in Südafrika und somit nur ein Außenstehender. Jetzt hingegen ist er wieder mittendrin. „Bem-vindo“ - willkommen.
„Dies ist die große Bühne, da willst du sein - und ich persönlich liebe das“, betont er mit euphorischer Stimme. Klinsmann wirkt relaxt, sein Gesicht ist vom Trainingslager in Florida noch gut gebräunt und drückt Zuversicht aus. „Jürgen versucht immer, positiv zu sein und nach vorne zu schauen, egal, was passiert. Sowas brauchen wir, denn wir sind ein junges Team“, sagt Jermaine Jones.
Klinsmann erlebt den Hype und die Hysterie um das Jahres-Highlight hautnah mit. Die USA wohnen mitten im Stadtzentrum von Sao Paulo, unweit der Prachtstraße Avenida Paulista. Während sich die 14 anderen Teams, die im Großraum der Millionen-Metropole ihr Quartier haben, erst noch an die Gegebenheiten vor Ort gewöhnen müssen, allen voran die täglichen Staus, sind die Amerikaner mit allem bereits vertraut.
Klinsmann hatte vorausschauend geplant, war mit knapp der Hälfte des Teams schon im Januar für ein zweiwöchiges Camp hier. Der einstige Bundestrainer hatte die Reise bewusst gewählt, um einen Eindruck von Land, Stadt und Menschen zu bekommen. „Deshalb fühlen wir uns, als wenn wir nach Hause gekommen sind. Wir kennen die Leute im Hotel und auf der Anlage hier“, sagt der Blondschopf.
Hinter den dicken, in den Vereinsfarben, rot, weiß und schwarz gestrichenen Mauern stehen den US-Boys auf dem Gelände des berühmten FC Sao Paulo an der Avenida Marques de Sao Vicente im Stadtteil Barra Funda drei perfekt präparierte Rasenplätze zur Verfügung. Vor der Haupttribüne weht eine überdimensional große brasilianische Fahne an einem 20 Meter hohen Mast. Man fühle sich sehr privilegiert und sei stolz, auf der Anlage eines der besten Clubs der Welt trainieren zu können, sagt Klinsmann.
Daheim hatte er zuletzt Gegenwind bekommen. Vor allem, weil er Soccer-Legende Landon Donovan für die WM strich und zudem betonte, dass die USA keine Chance hätten, Weltmeister zu werden. Diese Worte entsprechen zwar der Realität, wurden zwischen New York und Los Angeles dennoch als „unamerikanisch“ interpretiert. Klinsmann steht trotzdem zu ihnen und sieht die daraus entstandenen Diskussionen nicht als Kritik, sondern vielmehr als Zeichen dafür, welchen Stellenwert der Fußball mittlerweile in den USA erreicht hat.
Die Experten und Fachkorrespondenten von ESPN oder der „Sports Illustrated“ glauben nicht an einen Achtelfinal-Einzug der Amerikaner. Ghana, Portugal und Deutschland als Gruppengegner seien einfach zu viel, meint Ex-Nationalspieler Alexi Lalas. Klinsmann hingegen lässt keine Gelegenheit aus, Optimismus zu verbreiten. „Natürlich wissen wir, dass es wahnsinnig schwer wird. Aber wir kommen durch die Gruppe durch, da bin ich fest von überzeugt.“
Er hat zwar einen Vertrag bis 2018 unterschrieben, sieht diesen jedoch nicht als Freibrief. „Wir werden alle an den Resultaten hier gemessen“, stellt er klar. Und Klinsmann will Ergebnisse liefern. Je größer die Aufgabe, sagt er, desto mehr gefalle sie ihm. Am Montag gegen Ghana geht's los.