Messi kritisch nach erstem Geniestreich
Rio de Janeiro (dpa) - Nach dem brachialen Urschrei über sein zweites WM-Tor seit 2006 machte sich Lionel Messi noch mal ungewohnt deutlich Luft.
Unter der unansehnlichen argentinischen Mauer-Taktik der ersten Halbzeit „leiden wir Stürmer“, klagte der für öffentliche Rügen eigentlich weniger bekannte Superstar. „Alleine“ gelassen fühlte er sich als Offensiv-Fixpunkt.
Rumms, das saß, so wie sein spektakuläres Tor beim mühsamen 2:1 (1:0)-Erfolg des WM-Mitfavoriten Argentinien am Sonntagabend (Ortszeit) über den tapferen Neuling Bosnien-Herzegowina. Nur dank des Wunderfußballers konnten die Zeitung Pagina12 titeln: „Mession erfüllt.“
Obwohl die enthusiastischen Fans die Partie zum Heimspiel für die Albiceleste machte, ging auch nach der Führung durch das Eigentor von Schalkes Sead Kolasinac (3. Minute) eine Halbzeit lang so gut wie nichts. Den vollmundigen Ankündigungen, die Verbandsfunktionäre im WM-Camp der Argentinier als Banner („Willkommen zukünftiger Weltmeister“) aufhängen ließen, folgten blutleere 45 Minuten. Trainer Alejandro Saballa hatte mit seiner Fünfer-Abwehrkette die eigentlich brillante Offensive selbst ins Abseits gestellt.
Diese Taktik sei ein Fehler gewesen, beklagte Ex-Nationalcoach und Fußball-Ikone Diego Maradona. „Sabella hat das aber rechtzeitig gemerkt“, erklärte der selbst nicht als Stratege bekannte Maradona als Kommentator im venezolanischen TV-Sender „Telesur“.
„Als wir es geändert haben, war es besser, so müssen wir weitermachen“, betonte Messi. Ob er bewusst von „Wir“ sprach, blieb ungeklärt. Sabella äußerte sich ausweichend zur Frage, ob ihm Spieler zu der Systemumstellung von 5-3-2 auf 4-3-3 geraten hätten.
Unbestritten ist aber, dass Messis Einfluss über das Spielfeld hinausgeht, auf dem er die Zuschauer nach einer kümmerlichen ersten Halbzeit mit einem Tor seiner Güteklasse verwöhnte. „Das Maracanã verdient ein solches Tor von Messi“, schwärmte am Montag auch Brasiliens Fußball-Legende Zico, seines Zeichens Rekordtorschütze in der legendären Arena in Rio de Janeiro.
Deutlicher als über die Hereinnahme von Gonzalo Higuain als dritte Spitze sprach Argentiniens Coach dann auch über Messi: „Der beste Spieler der Welt“ - gleich dreimal pries er in einer Antwort den 26-Jährigen und betonte, dass die Ausnahmestellung nicht von den Darbietungen in Brasilien abhinge.
Bei zuvor nur einem WM-Treffer will der Angreifer des FC Barcelona aber unbedingt seine bisherigen Enttäuschungen auf der größten Fußball-Bühne vergessen machen. Entsprechend fiel sein Jubel nach 623 WM-Minuten ohne Treffer aus. „Ein unbändiger Schrei, der aus der Seele kam“, kommentierte die Zeitung „La Nacion“. „Das Beste waren das Tor von Messi und die argentinische Fiesta im Maracanã“, titelte die Tageszeitung „Olé“ über den Traumlauf zum zweiten Treffer (65. Minute) vor den enthusiastischen Anhängern der Albiceleste.
Mit dem bekannt bescheidenen Lächeln nahm Messi die Trophäe für den Spieler des Spiels mit auf den Weg zum Charterflieger nach Belo Horzizonte. Nicht ohne die in der zweiten Halbzeit praktizierte Taktik noch mal zu loben. „Dieses System passt uns besser, wir haben mehr Möglichkeiten zu passen und Tore zu schießen.“
Bedenken an ihrer Titeltauglichkeit konnten Messi & Co aber nicht ausräumen. „Argentinien gewinnt, aber es bleiben Zweifel nach ihrem Auftakt bei der WM“, schrieb „El Gráfico Diario“. „Argentinien hat viel Raum, um das zu verbessern, was es heute gezeigt hat“, meinte Maradona.