Sportliche Leitung wird gesprengt - Flick bald Direktor
Belo Horizonte (dpa) - Eigentlich liebt Hansi Flick seine Rolle als zweiter Mann hinter Joachim Löw.
Acht Jahre lang entwarf er Trainingspläne, kreierte Ideen, beriet seinen Chef, hielt den Kontakt zu den anderen DFB-Trainern und war sich auch nicht zu fein, auf dem Übungsplatz die berühmten Hütchen aufzustellen. Nun sprengt der treue Löw-Assistent die erfolgreiche Leitung der deutschen Nationalmannschaft. Schon in den vergangenen Monaten hatte Flick einige Aufgaben seines neuen Jobs übernommen, am 1. September wechselt er offiziell auf den Posten des DFB-Sportdirektors.
Alle Protagonisten werden den Wechsel mit gemischten Gefühlen begleiten. Flick wird selbst Chef, bekommt mehr Macht im Verband, wird die direkte Arbeit mit der Nationalmannschaft aber vermissen. 9930 Spielminuten saß er bisher auf der deutschen Trainerbank, mit dem WM-Halbfinale am Dienstag gegen Brasilien sind für Flick die 10 000 Minuten voll. Löw hätte seinen engen Vertrauten gern behalten, wollte ihm allerdings auch „keine Steine in den Weg legen“.
Nach seinen ersten Trainerstationen bei 1899 Hoffenheim und als Assistenzcoach bei Red Bull Salzburg war Flick 2006 zum DFB gestoßen. „Ich bin absolut überzeugt, dass er die Aufgabe als Sportdirektor mit Kompetenz und Leidenschaft angeht“, betonte Löw, der sich nun einen neuen Co-Trainer suchen muss. Einmal durfte Flick sogar schon Chefcoach sein, als er den gesperrten Löw beim 3:2-Sieg im Europameisterschafts-Viertelfinale 2008 in Basel vertrat.
Gerade vor und während des Turniers in Brasilien wurde der Einfluss von Flick auf Löws Konzept deutlich. Ins Trainingslager im Passeiertal in Südtirol war auf Initiative des Co-Trainers die U-20-Auswahl des DFB dabei, die als Sparringspartner die erwartete Spielweise der WM-Kontrahenten imitieren konnte. Bei den Spielen in Brasilien zeigte sich Flick engagiert wie zuvor bei Turnieren noch nicht gesehen, diskutierte in der Coaching-Zone immer wieder mit seinem Chef und gab selbst Anweisungen an die Spieler.
Offiziell wollte Flick darin nichts Neues sehen. „Der vierte Offizielle lässt mich öfter nach vorn, sonst durfte immer nur einer vorn stehen, jetzt sind sie etwas nachsichtiger“, meinte der gebürtige Heidelberger. Doch nicht nur um die WM-Position von Kapitän Philipp Lahm gab es in Brasilien durchaus einige kontroverse Diskussionen im engsten Führungszirkel des Nationalteams. „Hansi Flick und Andi Köpke sind meine Trainer, mit denen ich mich am Ende nochmals berate“, sagte Löw. „Wir haben einen klaren Plan. Aber es gibt keine Dinge, die wir stur verfolgen“, ergänzte Flick, der immer absolut loyal zu seinem Chef ist. „Es ist einfach klasse“, sagte der zukünftige Sportdirektor zur Arbeit im ganzen Stab.
„Im Trainerstab und im Team drumherum kennen wir einfach genau die Abläufe“, skizzierte Flick die Vorteile der jahrelangen Zusammenarbeit aller Trainer und Spezialisten. „Wir können uns immer wieder optimieren, nach jedem Turnier sagen, was können wir verbessern. Das ist einfach eingespielt.“ Auch vor dem spannenden WM-Halbfinale gegen Brasilien war es wieder so. „Urs Siegenthaler und die Scouting-Abteilung diskutieren mit uns über den Gegner, stellen uns Schwächen vor. Was die personellen Entscheidungen betrifft, das machen dann die drei Trainer“, berichtete Löw.
In Sachen Standards war es Flick, der auf mehr Training dieser Situationen drängte. Mit Erfolg: Fünf der zehn deutschen WM-Treffer fielen in Brasilien nach Ecken, Freistößen oder Elfmeter. „Der Confedcup hat es ja schon gezeigt, auch die Champions League. Alle haben über Taktik gesprochen. Letztendlich entscheiden die Standardsituationen große Spiele wie Bayern gegen Real“, erklärte Flick. „Diese Sachen muss man einfließen lassen. Wie die Mannschaft das umsetzt, das ist sensationell.“
Auch als Sportdirektor wird Flick eng an der A-Nationalmannschaft dran bleiben - anders als seine Vorgänger. Vor acht Jahren hatte der damalige Bundestrainer Jürgen Klinsmann die neue Position gefordert, wollte dafür damals in Bernhard Peters den Weltmeister-Coach im Hockey zum DFB holen. Den Funktionären ging die Fußball-Revolution zu weit: Der frühere Nationalspieler Matthias Sammer erhielt den Zuschlag. Allerdings durfte Sammer nur den kompletten Bereich unterhalb der A-Nationalmannschaft verantworten.
Auch Sammer-Nachfolger Robin Dutt blieb außerhalb des engen Zirkels der Nationalmannschaft. Nach nicht mal einem Jahr folgte er dem Ruf von Werder Bremen zurück in die Bundesliga. Der Sportdirektor müsse mehr Kompetenzen und Wertschätzung erhalten, mahnte Sammer, inzwischen Sportvorstand des FC Bayern, danach: „Einen guten Idioten werden sie sonst nicht mehr finden.“
Der 49 Jahre alte Flick, einst Profi beim FC Bayern und 1. FC Köln, wird diese neuen Kompetenzen erhalten. Er soll sich vor allem auf den Elitebereich konzentrieren und mit den U-Mannschaften noch näher an das A-Team heranrücken. „Der Sportdirektor kann gar nicht für alles zuständig sein“, hatte Löw schon vor der geplanten Umstrukturierung angemahnt. DFB-Präsident Wolfgang Niersbach sieht in Flick den genau richtigen Mann. „Er braucht keine Eingewöhnung und Probezeit, weil er den ganz Laden kennt“, unterstrich der Verbandschef.