Tumulte in Rio - Rousseff appelliert an Demonstrante
Rio de Janeiro (dpa) - Auch die erste Partie der Fußball- Weltmeisterschaft in Rio de Janeiro ist von gewaltsamen Protesten begleitet worden. Kurz vor dem Anpfiff des Spiels Argentinien gegen Bosnien-Herzegowina (2:1) im Maracanã-Stadion kam es am Sonntagabend zu Tumulten zwischen WM-Gegnern und der Polizei.
Die Sicherheitskräfte gingen mit Tränengas und Pfefferspray gegen die Demonstranten vor. Ein Reporter wurde nach örtlichen Medienberichten durch Splitter einer explodierenden Rauchgranate verletzt. Präsidentin Dilma Rousseff rief angesichts der anhaltenden Proteste dazu auf, Fußball und Politik auseinanderzuhalten.
Die teils maskierten Demonstranten führten Banner mit sich, auf denen unter anderem der Spruch „FIFA go home“ zu lesen war. Nach unterschiedlichen Angaben nahmen zwischen 150 und 500 Menschen an dem Protestmarsch einige Kilometer vom Maracanã-Stadion entfernt teil. An einem Bankgebäude wurden Scheiben eingeworfen. Zudem wurden Mülleimer in Brand gesetzt. Massive Polizeieinheiten verhinderten, dass der Protestzug zum Stadion durchkam.
Die Zeitung „O Globo“ berichtete online, ein Mann, der aus einem wegen der Proteste steckengebliebenem Auto ausgestiegen sei, habe in die Luft geschossen. Demonstranten hätten das Fahrzeug daraufhin mit Steinen angegriffen. Der Mann und eine Frau, die am Steuer gesessen habe, seien geflüchtet.
Einige Geschäfte, die in Brasilien auch sonntags geöffnet sind, schlossen aus Angst vor Vandalismus früher und ließen die Rollläden vor den Schaufenstern herunter. Insgesamt waren zur Sicherung des Fußballspiels in der Umgebung des Stadions fast 3000 Polizisten, Soldaten und Feuerwehrmänner im Einsatz.
Präsidentin Rousseff betonte, die Nationalmannschaft repräsentiere die brasilianische Nation. „Die Seleção steht über Regierungen, Parteien und Interessen jeglicher Gruppen“, sagte sie. Die Staatschefin erinnerte daran, dass sie die Nationalelf sogar unterstützt hatte, als sie 1970 während des Militärregimes (1964-1985) als Oppositionelle im Gefängnis saß und gefoltert wurde.
Damals seien viele Regimegegner zunächst der Meinung gewesen, dass diese Unterstützung die Diktatur stärke. „Meine Zellenkameradinnen und ich hatten aber niemals Zweifel. Wir haben stets Brasilien angefeuert, denn der Fußball steht über der Politik.“ Im Laufe der WM in Mexiko, die die Seleção 1970 mit Pelé gewann, seien die Kritiker schließlich ganz verstummt, betonte die Präsidentin. „Alle haben die Seleção leidenschaftlich angefeuert, sowohl die, die inhaftiert waren, als auch die, die draußen waren.“
Rousseff war vergangene Woche bei der Eröffnung der WM in São Paulo ausgepfiffen und beschimpft worden. Am 5. Oktober finden in Brasilien Präsidentenwahlen statt.