Gladbach — zurück an die Spitze?
Die Stimmung war zuletzt nicht gut. Aber Manager Max Eberl will den Erstligisten zurück in die Spitze führen. Ein Lagebericht.
Mönchengladbach. Der ständige Begleiter von Max Eberl in diesen Tagen ist hartnäckig. Er brummt, klingelt und vibriert unerlässlich. Was dazu führt, dass Gladbachs Sportdirektor selbst während eines Vier-Augen-Gesprächs wiederholt zum Smartphone greift. Ursache ist nicht, dass Eberl keine guten Konversationsmanieren besitzt. Vielmehr steht der 44-Jährige aktuell unter Dauerstrom. Er will seine Fohlen nach einer insgesamt enttäuschenden Saison mit Platz neun in der Abschlusstabelle samt Verpassens der Europapokalqualifikation zurück unter die Top-Klubs der Liga managen. Und in diesem Zusammenhang kann jedes digitale Räuspern des Handys, sprich eine SMS-Nachricht, E-Mail oder „WhatsApp“ wichtig sein.
In der der Manager-Sprache wird eine solch’ intensive Phase „Crunchtime“ genannt - Wochen also, in denen sich die (personelle) Marschrichtung eines Klubs für die neue Spielzeit manifestiert. In diesem „Crunchtime“-Modus befindet sich Eberl. Analysieren, abwägen, gestalten, investieren, verwirklichen. Gemeinsam mit Cheftrainer Dieter Hecking (53) arbeitet er Borussias große Baustellen ab.
Die Schwachstellen im Gladbacher Kollektiv haben die Macher längst erkannt. So die unzureichende Balance zwischen Großchancen erarbeiten und verwerten. Kaum ein anderer Erstligist hat so viele erstklassige Einschussmöglichkeiten in der abgelaufenen Spielzeit nicht im gegnerischen Tor unterbringen können wie der VfL. Folge: Eberl schaut sich nach „einem neuen Stürmertyp“ um. Alassane Plea, 25-jähriger Angreifer aus Frankreich (OGZ Nizza), soll so einer sein. Dortmund, mit Plea-Ziehvater und Neu-Trainer Lucien Favre (60) verstärkt, ist ebenfalls interessiert. Eberl kommentiert Personalien wie Plea öffentlich nicht, da er weiß, dass ein unbedachtes Wort zum falschen Zeitpunkt womöglich monatelange Transferarbeit zunichte machen kann. Dennoch: Gladbach will die Offensive verbessern, einen Nachfolger für den alternden Ausnahmeangreifer Raffael (33) finden.
Namen wie Assalé (Bern) oder Gregoritsch (Augsburg) spielen dabei offenbar neben Plea ein Rolle. Auch der Faktor Mentalität. Echte Kerle, im Fußballerjargon „Schweinehund“ oder „Drecksack“ genannt, sollen per Blutauffrischung dem VfL zugefügt werden. Er halte Ausschau, so Eberl. „Wir haben Ideen“. Auf konkrete Nachfrage lässt er sich weiter nicht in die Karten schauen.
Mit Florian Neuhaus (21) von Aufsteiger Fortuna Düsseldorf sowie Linksfuß Keanan Bennetts (19/Tottenham Hotspur) stehen die ersten beiden Zugänge fest. Bei Borussia gibt es weitere Baustellen. Wie die eklatanten Personalprobleme, die der Klub rund 18 Monate lang nicht nachhaltig in den Griff bekommen konnte. Verletzte über Verletzte, bis zu 13 Profis fehlten regelmäßig. Eberl hat das angepackt. Borussia stellt sich im medizinischen Bereich neu auf. Mit den Medical-Park Kliniken Tegernsee bekommen die Fohlen einen neuen, national führenden Gesundheitspartner. Dazu soll das Profiteam einen eigenen, festangestellten Mannschaftsarzt bekommen. Und auch die engste Reha- und Physio-Crew rund um die Mannschaft soll neu aufgestellt werden.
Dazu soll es eine interne Streichliste von Profis gegeben. Eberl hat durchblicken lassen, dass es selbst Spieler treffen könnte, an die „noch niemand gedacht“ habe. Namen wie Hofmann, Johnson, Grifo, Herrmann, Bobadilla oder Drmic kursieren seither in den Gerüchteküchen. Allerdings haben alle noch laufende Verträge — ein großes „Reinemachen“, einen radikalen Umbruch, den wird es in Gladbach alsbald nicht geben. Ohne Not, also aus wirtschaftlichen Gründen, muss der VfL eh keinen Spieler abgeben. Gladbach zählt mit einer Eigenkapitalquote von 46,8 Prozent (rund 95 Millionen Euro) zu den wirtschaftlich gesündesten Mitgliedern der Beletage. Das Tafelsilber (Zakaria, Hazard, Ginter, Vestergaard, Elvedi, Cuisance) kommt nur bei unmoralischen Angeboten der Konkurrenz ins Schaufenster. So soll Dortmund an Zakaria interessiert sein. Was Gladbach-Fans nach Informationen dieser Zeitung jedoch nicht beunruhigen sollte. Der Schweizer Nationalspieler hat keine Ausstiegsklausel, einen Vertrag bis 2022 und längst einen Marktwerkt jenseits der 30-Millionen-Marke. Eberl sagt: „Ich muss keinen abgeben, weil wir von vertraglicher Seite diese Not nicht haben, ich kann also agieren.“ Was bedeutet: Gladbach diktiert in Sachen Abgängen den Preis, Herzstücke der Mannschaft, auf einem durch die bevorstehende WM inklusive der neu gestalteten Transferperiode in der englischen Premier League hochgejazzten Transfermarkt, dürften nur für (niederrheinische) Ausnahme-Summen verhandelbar sein.
Die Baustelle „Hardcore-Fans“ außer Rand und Band haben die Gladbach-Macher angepackt. Pfiffe, Pöbeleien, Kritik aus der Nordkurve, in der vergangenen Saison mehrfach im Borussia-Park zu beobachten, haben zu internen Gesprächsrunden geführt. Geschäftsführer Stephan Schippers (50) geht da mit Eberl voran — Dialog statt Eskalation ist Devise.
Die Baustelle Hecking machen sie in Gladbach diesen Sommer nicht auf. Der Trainer ist nach einer verkorksten Rückrunde in die Kritik geraten — soll jedoch weiter das Zepter schwingen. Eberls Credo: Nachhaltig an dem festhalten, von dem man überzeugt ist. Wer glaubt, der Klub agiere nach zwei Spielzeiten ohne Europa momentan aus einer Position der Schwäche, irrt. Mit dem Hotelneubau, einer wachsenden Infrastruktur, kreieren die Macher derzeit nicht nur neue Einnahmequellen, mit dem Einstieg von Ausrüsterriese Puma zum 1. Juli darf sich der Verein dank eines Sechs-Jahres-Vertrages auf eine garantierte Einnahme von 48 Millionen Euro freuen. Allein mit einem szeneüblichen Vorgriff auf diese Summe wäre Eberl diesen Sommer, zur vielbesagten Crunchtime, immer noch ein Transfermarkt-Schwergewicht.