Handball Der Bergische HC zeigt in der Bundesliga alte und zusätzlich neue Stärken

Wuppertal/Solingen · Den Handballern aus Wuppertal und Solingen ist der Start in die neue Saison trotz aller Unwägbarkeiten hervorragend geglückt. Die Arbeit in der langen Pause zahlt sich aus.

Tolle Leistungen, leider leere Ränge: Sportlich läuft es beim BHC bisher sehr gut

Foto: Andreas Fischer

Keine Frage: Handball-Bundesligist Bergischer HC ist ein guter Start in diese außergewöhnliche Spielzeit der Handball-Bundesliga gelungen. Mit dem Auftaktsieg in Magdeburg hatte die Mannschaft für die erste Überraschung der von Corona überschatteten Saison gesorgt. Bis zu diesem Donnerstag stehen die Bergischen, die nach Tabellenplatz sieben in der Saison 2018/19 in der vergangenen, verkürzten Spielzeit 13. geworden waren, punktgleich sogar vor den Top-Teams aus Kiel und Flensburg auf Rang fünf. Sicher eine Momentaufnahme für das Poesiealbum, doch selbst ein Traumstart mit 8:0-Punkten wäre möglich gewesen, wäre im jüngsten Heimspiel beim 20:22 gegen Wetzlar die Angriffsleistung besser gewesen. Vor allem daran gilt es zu arbeiten, wenn am Donnerstag im Auswärtsspiel bei Hannover-Burgdorf nach acht Jahren mal wieder Punkte herausspringen sollen. Das Selbstvertrauen der Mannschaft bringt Torwart Christopher Rudeck auf den Punkt. „Ich finde, wir haben eine super Truppe, die die Chance hat, jedes Spiel zu gewinnen.“ Jedenfalls sucht sie in jedem Spiel ihre Chance.

Was sind die Pluspunkte, die den BHC in seiner inzwischen achten Bundesliga-Saison seit 2011 stark machen?

Die Abwehr ist noch
variabler geworden

In erster Linie ist das die Abwehr, auf die Sebastian Hinze, der inzwischen im neunten Trainerjahr beim BHC ist, traditionell besonderes Augenmerk legt. Er hat die klassische 6:0-Abwehr in der langen Vorbereitung mit der Mannschaft weiterentwickelt, setzt nun auch auf 5:1 und hat zahlreiche personelle Alternativen in der normal von Abwehrchef Czaba Szücs gelenkten Defensive. 27 Gegentore in Magdeburg, zuletzt gegen Wetzlar nur 22 – und auch beim 29:25 gegen Erlangen und beim 31:26 in Nordhorn kamen die entscheidenden Impulse aus der Abwehr.

Hinzu kommen konstant gute Torhüterleistungen. Tomas Mrkva, der in den ersten beiden Spielen zwischen den Pfosten stand, als Rudeck noch nicht fit war, und dann Rudeck, der in den Kasten musste, als Mrvka nach einem Kopftreffer mit Gehirnerschütterung ausfiel, haben zahlreiche freie Bälle gehalten.

Neuzugänge Schmidt und Nikolaisen schlugen ein

Eine für den BHC neue Stärke zeigte sich besonders im Auftaktspiel in Magdeburg, wo der Rückraum spielentscheidend war. Fabian Gutbrod, im linken Rückraum traditionell mit einem gewaltigen Wurf ausgestattet, kam selten so gut zur Geltung wie momentan. Mit 19 Treffern aus vier Spielen ist der neue Kapitän bisher der gefährlichste Werfer der Löwen. Die haben mit David Schmidt zudem die erhoffte Verstärkung im rechten Rückraum gefunden. Der deutsche Nationalspieler schlug in einer ansonsten eingespielten Mannschaft gleich gut ein, traf abgesehen von der jüngsten Partie gegen Wetzlar konstant, vor allem in den oft entscheidenden Schlussphasen.

Auch am Kreis scheint der BHC mit dem norwegischen Nationalspieler Tom Kare Nikolaisen eine Verstärkung gefunden zu haben. Der erst 22-Jährige ist in der Bundesliga gut angekommen, entlastet Max Darj, um den viele Bundesligisten den BHC beneiden, sowohl im Angriff als auch in der Abwehr bereits hervorragend. Mit Tomas Babak und dem hochgelobten Linus Arnesson hat der BHC zudem ein Top-Duo auf der Mittelposition. Arnesson fällt allerdings seit zwei Spielen mit muskulären Problemen aus, was der BHC gegen Nordhorn noch kompensieren konnte.

Auffallend im Vergleich zur vergangenen Saison ist eine höhere mentale Stärke der Mannschaft. Gerne formuliert Hinze die Forderung, seine Mannschaft dürfe sich nicht stressen lassen. Dies ist bislang geschehen. Sie blieb trotz engem Spielverlauf bei der HSG Nordhorn-Lingen cool und entschied die Schlussphase klar für sich. Auch in Magdeburg hat sie ein 11:16-Rückstand unbeeindruckt gelassen – und gegen Wetzlar übertrug sich die schwache Angriffsleistung der zweiten Halbzeit nicht auf die Deckung. All dies war in der Vergangenheit oft anders – und ein Grund für einige knappe Niederlagen in der vorigen Saison.

Zu den noch verbesserungswürdigen Punkten gehört mit Blick auf die jüngste Partie das Tempospiel. Gerade weil die Abwehr so viele Ballgewinne erzielt, war hier deutlich mehr möglich, doch oft wurden die Angriffe zu zaghaft eingeleitet. Der Mut fehlte – was auch auf zahlreiche technische Fehler, die sich das Team in diesen Situationen erlaubt hat, zurückzuführen war.

Heimspiele ohne
Zuschauer tun weh

Das aus BHC-Sicht bislang Bitterste an der Saison sind die Rahmenbedingungen. So haben die Löwen drei ihrer bisher vier Partien ohne Publikum austragen müssen. Bei beiden Heimspielen in Solingen sowie auswärts in Lingen durften nur ein paar Ehrenamtliche dabei sein. Hintergrund: Ab einem Indizenzwert von 35 sind keine Zuschauer zugelassen – trotz akribisch erstellter Hygienekonzepte zur Minimierung des Infektionsrisikos. „Das ist höchst bedauerlich, aber es liegt leider nicht in unserer Hand“, sagt Geschäftsführer Jörg Föste. „Jede Verfügung, die erlassen wird, wirft neue Fragen auf. Wir sind beim BHC dazu übergegangen, uns nicht mit deren Sinnhaftigkeit zu beschäftigten, sondern sie wohl oder übel hinzunehmen - wobei der Schwerpunkt natürlich auf ‚übel‘ liegt.“

Was in dieser Saison für den BHC sportlich noch möglich ist, ist mit Spannung zu erwarten. Die Mannschaft wirkt reif und eingespielt, hat eine gute Altersmischung und einen mit 41 Jahren noch jungen, aber schon sehr erfahrenen und taktisch versierten Trainer. Föste prognostiziert eine Saison mit vielen Überraschungen. Vielleicht kann der BHC eine positive davon sein. Eine ganz große wäre das nicht mehr.