Deutsche Handballer vor historischer Pleite

Leipzig (dpa) - Die Stimmung ist mies, an ein Wunder glaubt so gut wie keiner. Schon vor dem drohenden EM-Aus müssen sich die deutschen Handballer als Deppen der Nation verspotten lassen.

Die Rufe nach einer Kurskorrektur werden immer lauter. „Wir haben es so auch nicht verdient zur Europameisterschaft zu fahren“, wetterte der Berliner Keeper Silvio Heinevetter. Vor dem letzten Qualifikationsspiel am Samstag in Aschaffenburg gegen Israel ist der Weltmeister von 2007 auf Schützenhilfe angewiesen.

„Wir haben das Ticket nach Dänemark nicht erst in Podgorica aufs Spiel gesetzt, sondern schon durch die beiden Niederlagen zu Hause gegen Montenegro und dann in Tschechien“, räumte Heinevetter nach dem blamablen 25:27 in Montenegro ein - eine Pleite mit möglicherweise historischen Dimensionen: Erstmals könnte eine Männer-EM ohne deutsche Beteiligung stattfinden.

Die Forderungen nach Konsequenzen liegen auf dem Tisch. Vor allem über eine strategische Neuausrichtung im deutschen Handball wird jetzt wieder diskutiert. Bereits seit Jahren streiten Verband und Vereine darüber, dass Nachwuchsspieler zu wenige Chancen erhalten, den Übergang in die Bundesliga zu schaffen. In Deutschlands Eliteliga sind die Top-Positionen fast nur mit Ausländern besetzt. „Es ist immer sehr schwierig zu sagen, wir wollen den Nachwuchs fördern, aber gleichzeitig den Erfolg erwarten, den man vielleicht hat, wenn man ausschließlich mit Weltklassespielern arbeitet“, hatte Bob Hanning, Geschäftsführer der Füchse Berlin und designierte DHB-Vizepräsident, gesagt und damit das angemahnt, was Weltmeister-Trainer Heiner Brand seit Jahren monierte.

Sieben Junioren-Weltmeister von 2009 und 2011, mit dem damaligen Coach Heuberger, stehen im aktuellen A-Kader. Fünf von ihnen waren beim 25:27 in Podgorica auf dem Feld. Aber mit Ausnahme von Patrick Wiencek (THW Kiel), Johannes Sellin (Füchse Berlin) und Patrick Groetzki (Rhein-Neckar Löwen) steht keiner bei einem deutschen Europapokalteilnehmer unter Vertrag. Der derzeit verletzte Christian Dissinger zog es sogar vor, in die Schweiz zu wechseln, um Spielanteile auf internationalem Niveau zu erhalten.

Heuberger hatte sich den Umbruch auf die Fahnen geschrieben und will mit dem Fernziel Olympia 2016 vermehrt auf die international wenig erfahrenen Talente setzen. Doch selbst Rio könnte schon frühzeitig aus den Augen geraten, wenn man sich nicht doch noch für die EM 2014 qualifiziert. Denn nur die EM-Teilnehmer können sich entweder direkt für die WM 2015 in Katar qualifizieren oder sind zumindest im einfacheren Lostopf, was die WM-Playoffs im Juni 2014 betrifft. Und bei der WM wiederum wird die Vielzahl der Teilnehmer für die Olympia-Qualifikationsturniere ermittelt.

In Aschaffenburg steht also eine Menge auf dem Spiel. Mit lediglich vier Punkten sind die Deutschen in der EM-Qualifikationsgruppe 2 nur Dritter. Deutschland wäre als Zweiter direkt für die EM qualifiziert, wenn es Israel schlägt und die bereits qualifizierten Montenegriner in Tschechien gewinnen. Eine ganz kleine Hintertür hat die DHB-Auswahl auch noch im Kampf um den 15. EM-Startplatz offen, der für den besten Gruppendritten reserviert ist. Dafür muss allerdings vieles zusammenkommen: Österreich muss in Gruppe 7 mit mindestens neun Toren gegen Russland gewinnen, der WM-Vierte Slowenien muss in Gruppe 6 zu Hause mit mindestens zwei Toren gegen Weißrussland verlieren und zudem darf Lettland in Gruppe 4 nicht in Kroatien gewinnen.