Die Leiden des THW Kiel: Umbruch soll wieder Titel bringen
Köln (dpa) - Die ganze Tragik einer unfassbar unglücklichen Saison fasste Alfred Gislason in einem Nebensatz zusammen. „Ich bin mir nicht mal sicher, dass wir Dritter werden“, sagte der Erfolgstrainer.
Und damit meinte der Isländer nicht das lästige Pflichtspiel am Sonntag in Köln um den dritten Platz der Champions League gegen Paris St. Germain, sondern die Handball-Bundesliga. Schon am Mittwoch muss der geschlauchte deutsche Meister beim ThSV Eisenach antreten und den Vorsprung von nur noch einem Punkt vor dem Tabellenvierten MT Melsungen verteidigen.
Mit der 28:31 (25:25, 15:12)-Niederlage nach Verlängerung gegen MVM Veszprem war am Samstag beim Final4 besiegelt, was sich abgezeichnet hatte: Erstmals seit 2003 beendet der THW Kiel eine Saison ohne Trophäe. Die Champions League beendete der Serienmeister am Sonntag nach der 27:29 (11:15)-Niederlage gegen Paris wie im vorigen Jahr als Vierter. „Ohne Titel ist bitter, aber keine Überraschung“, sagte Gislason. Ein kleiner Trost: Auch als Meisterschafts-Dritter kann der Club auf einen Startplatz in der Königsklasse hoffen.
Mit Leidenschaft und einem bewundernswerten Kraftakt hatten sich die Kieler im Halbfinale gegen die titellose Spielzeit gestemmt. Fast wäre der der Coup geglückt. 94 Sekunden vor Ende führte der deutsche Rekordmeister mit 25:23, brachte den Vorteil aber nicht über die Zeit. „Wir spielen einen überragenden Handball. Umso bitterer ist es, das so zu verschenken“, sagte der Trainer.
Seine Spieler hatten auf die Zähne gebissen, die Verletzungsmisere der gesamten Saison ausgeblendet und alles dafür getan, um nicht wie im Vorjahr gegen die Ungarn das Endspiel zu verpassen. Doch in der Verlängerung fehlte dann die Kraft. „Da ist irgendwann einmal die Grenze erreicht“, sagte Gislason und lobte sein Team: „Ich bin stolz auf meine Mannschaft.“
55 Pflichtspiele hatten die Kieler nach dem Spiel um Platz drei am Sonntag in den Knochen - die Nationalspieler sogar noch einige mehr. „Alle, die hier waren, haben an der Grenze gespielt und darüber hinaus“, sagte Dominik Klein, der sich nach zehn Kieler Jahren mit Tränen in den Augen von den Fans verabschiedete, weil er nach Nantes wechselt. 13 Verletzungsausfälle musste der THW im Lauf der Saison kompensieren. Sechs Spieler wurden kurzfristig nachverpflichtet. „Das war eine sehr, sehr schwierige Saison. Das war eine unglaubliche Bastelarbeit“, bilanzierte Gislason.
Geradezu flehentlich appellierten der Isländer und Manager Thorsten Storm an die Clubs der Handball-Bundesliga, künftig 16 statt 14 Spieler pro Spiel zuzulassen, damit die Belastung besser verteilt werden kann. „Wir waren teilweise nur noch wie Handball-Roboter unterwegs“, sagte Storm, „die 16 Spieler schaden keinem.“
Und Gislason ergänzte: „Die Belastung ist langsam absurd geworden. Ich habe teilweise fünf Spieler auf der Bank, die es gerade noch schaffen, sich aufs Feld zu schleppen.“
In der nächsten Saison soll alles wieder besser werden. „Ich bin mir sicher, dass der THW eine Riesen-Zukunft hat. Die neue Mannschaft wird das machen“, sagte Manager Storm. Joan Canellas (Vardar Skopje), Klein (HBC Nantes), Nikolas Katsigiannis (HC Erlangen) und Rogerio Moraes Ferreira (Vardar Skopje) verlassen den Verein. Raul Santos (VfL Gummersbach), Andreas Wolff (HSG Wetzlar), Nikola Bilyk (Fivers Margareten) und Lukas Nilsson (Ystads IF) stehen für den Umbruch.